Gehirngeographie
Vor nicht allzu langer Zeit habe ich ein wunderbares Buch erworben, welches das Thema der Körperlandkarte im Gehirn oder der "Organschablone" auf anschauliche Art und Weise erklärt. Ich habe keine Mühen gescheut und das ganze wieder einmal graphisch aufbereitet. Das Buch ist nicht nur für den interessierten Laien konzipiert worden sondern auch für Fachleute in medizinischen und pflegerischen Berufen, auch für Ärzte als Nachschlagewerk für zwischendurch. Ist also alles schon im Vorfeld nach bestem Wissen und Gewissen erörtert, recherchiert und bewiesen worden. Lassen wir die Grafik sprechen.
Eine größere Ansicht der Grafik gibt es hier: >>Klick<<
Es gibt also das sensorische und das motorische Rindenfeld. Wenn originär transsexuelle Menschen aller optischer Geburtsanatomie zum Trotz das gegenteilige Genital empfinden, dann stelle ich hiermit die Hypothese auf, daß dies auch im sensorischen Rindenfeld (zuständig für bewußte Empfindungen) irgendwie entsprechend eingespeichert ist. Spinne ich diese Hypothese einmal weiter, dann haben wir - in Verbindung mit genitalen Phantomgefühlen (das Empfinden des präoperativ nicht existenten Genitals) - ein neurologisches Abbild beider Genitalien, was dann den Dunstkreis der Intersexualität berührt. Fragt sich dann aber noch, woher die Wertung von "richtig" oder "falsch" hinsichtlich der Genitalien kommt. Ich vermute, daß hierbei Gehirnbereiche eine Rolle spielen (z.B. Hypothalamus), die für die emotionale Bewertung und das Bewußtseinsempfinden zuständig sind. Interessant wäre für mich vor allem die Frage, woher die Phantomgefühle kommen, denn kein Phantomgefühl ohne zuvor angelegten Nerv. Ich lehne mich jetzt einmal sehr stark aus dem Fenster und stelle folgende sehr steile Hypothese auf: Da in meiner langjährigen Arbeit ich nur von originär transsexuellen Menschen von erlebten Phantomgefühlen erfahren habe, von Transgendern hingegen noch nie, muß das Phantomgefühl mit dem neurologisch kodierten Geschlechtswesen im BSTc korrelieren. Hiermit äußere ich folgende hypothetische Schlußfolgerung, daß das ganze bereits ab der 8. Schwangerschaftswoche stattfindet, wo sich gemäß der Geschlechtschromosomen die entsprechenden Gänge zurückentwickeln (bei XX entwickelt sich der wolffsche Gang zurück, bei XY hingegen der Müllersche Gang), jedoch aus irgendeinem Grund die neurologische Differenzierung der Nerven in diesen Strukturen gestört ist und sich nicht zurückentwickelt, und damit über das sensorische Rindenfeld Einfluß auf den Hypothalamus ausübt. - All dies ist fernab von jeglicher Genderthematik.
Zuvor habe ich ja immer von einer Sexus-Sexus Diskrepanz gesprochen. In Anbetracht des Fundstücks ist das jedoch zu pauschal und erklärt nicht die parallele sensorische Wahrnehmung von Geburts- und Phantomgenital. Daß Transsexualität mit dem sensorischen Rindenfeld zu tun haben könnte, würde jedoch sehr anschaulich erklären, warum transsexuell Betroffene eine parallele Wahrnehmung beider Genitalien haben, worunter sie massivst leiden. Anhand des Fundstücks kam mir (in Zusammenarbeit mit meiner Lebensgefährtin) der Blitzgedanke zu dem Terminus "Neurointersexualität" in den Sinn. Das war genau DAS letzte Mosaiksteinchen, was mir in meinem Wissen noch fehlte. Chapeau.
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Update 06.02.24:
Interessanterweise mußten wir feststellen, daß wir quasi das Rad ein zweites Mal erfunden haben. Denn Dr. Hans-Jörg Haupt war mit dem Terminus "Neurointersexualität" schneller als wir. Es ist meiner Neugierde zu verdanken, daß ich diesen Terminus mal spaßeshalber in die Suchmaschine eingegeben habe, mit der Erwartungshaltung eh nichts dazu zu finden. Ich wurde eines besseren belehrt, die Größe meiner staunenden Bauklötze kann ich gar nicht in Worte fassen. Wenn zwei unabhängig voneinander das gleiche erfinden, dann kann es nur gut sein.
Keywords: Primär sensorisches Rindenfeld, primär motorisches Rindenfeld, Zentralfurche, Gyrus postcentralis
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