Die Narkose
Die Vollnarkose
Das neunzehnte Jahrhundert, ein Wendepunkt in der Medizin. 1846 setzte J. Warren erstmals Äther bei einer Operation als Narkosemittel ein.
Noch wenige Jahre zuvor schrieb der große französische Chirurg Velpeau "Schmerzen bei Operationen zu vermeiden ist eine Schimäre, die man nicht mehr weiter verfolgen darf."
Von Amerika aus verbreitete sich die Technik der Äthernarkose nach Europa.
Kein Jahr nach dieser Entdeckung wurde Chloroform bei der Geburtshilfe eingesetzt. Dieses flüchtigere Inhalationsgas, angenehmer als Äther, war nun die Methode der Wahl bei chirurgischen Eingriffen.
Trotz erheblicher Nebenwirkungen wurden die beiden flüchtigen Gase bei uns bis in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts verwendet.
Was ist eine Vollnarkose?
Die Vollnarkose ist die Anästhesieform, bei der sowohl der Wachzustand des Patienten als auch sein Schmerzempfinden gänzlich ausgeschaltet sind.
Wie funktioniert eine Vollnarkose?
Die zur Vollnarkose benötigten Medikamente werden entweder in eine Vene gespritzt, was man intravenös nennt, oder der Patient erhält sie über eine Maske. In letzterem Fall nimmt er sie über die Atemwege, also inhalativ, auf.
Die Medikamente zur Vollnarkose entfalten ihre Wirkung im zentralen Nervensystem. Diese Wirkung zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
- Schmerzfreiheit
- Bewusstseinsverlust
- Erinnerungslosigkeit
- Dämpfung der vegetativen Nervenreaktionen
Keines der verfügbaren Medikamente allein kann alle Komponenten einer Vollnarkose herbeiführen. Daher wird immer eine Kombination verschiedener Medikamente eingesetzt.
Manche Operationen sind nur möglich, wenn zusätzlich eine komplette Muskelerschlaffung der willkürlichen Muskulatur sichergestellt wird.
Wozu dient die Vollnarkose?
Die Narkose ermöglicht die Durchführung von Operationen aller Art.
Sie hat den Zweck, dass der Patient keine Schmerzen empfindet und das Operationsgeschehen nicht miterlebt. Viele Operationsarten lassen sich überhaupt nur in Vollnarkose durchführen.
Bei anderen stellt die Vollnarkose eine Alternative zur Teilnarkose, der so genannten Regionalanästhesie dar.
Die Errungenschaften der modernen Chirurgie wären ohne gleichzeitige Entwicklungen in den Narkosetechniken nicht möglich gewesen.
Was ist vor einer Vollnarkose zu beachten?
Wenn feststeht, dass eine Operation oder Untersuchung unter Vollnarkose stattfinden soll, wird der Narkosearzt, der Anästhesist, mit dem Patienten ein Gespräch zur Vorbereitung der Narkose führen. Dieses Gespräch verfolgt mehrere Zwecke:
- Der Anästhesist kann sich ein Bild von der Krankengeschichte und dem Gesundheitszustand des Patienten machen.
- Der Patient wird über die geeignete Narkoseform, das Vorgehen und die Risiken aufgeklärt.
- Der Umfang der Untersuchungen wird zur Abklärung des Narkoserisikos festgelegt.
- In der Nacht vor einer Operation sind viele Patienten verständlicherweise aufgeregt. Daher ist es empfehlenswert, dass sie sich vom Anästhesisten ein Beruhigungsmittel verordnen lassen.
Besonders wichtig ist, dass Sie als Patient vor der Narkose seit mehreren Stunden nüchtern sind, das heißt: nichts gegessen und getrunken sowie nicht geraucht haben.
Wie wird die Vollnarkose durchgeführt?
Am Operationstag wird der Patient in den Narkosevorbereitungsraum gebracht. Dort erhält er über eine Kanüle intravenös Medikamente zur Vorbereitung und zum eigentlichen Einschlafen.
Nach dem sanften Einschlafen wird ein Beatmungsschlauch, der Tubus, durch den Mund in die Luftröhre eingelegt, über den der Patient während der Narkose Sauerstoff und Narkosegase erhält. Vom Einlegen dieses Beatmungsschlauches - diesen Vorgang nennt man Intubation - verspürt der Patient nichts. Insbesondere bei kurzen Vollnarkosen kann auf die Intubation verzichtet werden. Die Beatmung des Patienten erfolgt dann über eine Maske.
Nach der Intubation wird die Narkose für die Dauer der Operation durch Gabe verschiedener Medikamente aufrechterhalten.
Während der gesamten Zeit überwacht der Anästhesist die Herz-Kreislauf-Situation, die Beatmung und den Flüssigkeitshaushalt des Patienten. Dieser Vorgang heißt Monitoring. Es gibt noch weitere Methoden der Überwachung, die vom Umfang der Operation und vom Gesundheitszustand des Patienten abhängig sind. Sollten sie notwendig sein, wird der Anästhesist diese mit dem Patienten vor der Operation besprechen.
Die Narkosetiefe zeigt sich im Verhalten von Blutdruck und Puls und wird operationsabhängig gesteuert. Naht das Ende der Operation, beendet der Anästhesist auch die Gabe der Narkosemedikamente. Dadurch beginnt schon wenige Minuten nach Operationsende die Aufwachphase des Patienten.
Das Entfernen des Beatmungsschlauches, die so genannte Extubation, erfolgt üblicherweise, bevor der Patient ganz wach ist. Dadurch spürt der Patient von diesem Vorgang nichts.
Nach der Extubation wird der Patient im Aufwachraum eine Zeit lang weiter überwacht. Auch erhält er jetzt schon Medikamente gegen die Schmerzen. Sobald sein Kreislauf stabil und er selbst schmerzfrei ist, kann er auf die Station zurück gebracht werden.
Nach großen Operationen oder bei Patienten mit schlechtem Gesundheitszustand kann es notwendig werden, den Patienten nach der Operation auf eine Intensivstation zu verlegen.
Bei einigen dieser Patienten wird die Narkose bis zur endgültigen Stabilisierung der Körperfunktionen fortgeführt.
Der Patient wacht erst später auf der Intensivstation auf.
Welche Komplikationen können bei einer Vollnarkose auftreten?
Bei den Risiken einer Vollnarkose ist zu unterscheiden zwischen allgemeinen Risiken, die bei jeder Vollnarkose bestehen, und besonderen Risiken, die sich aus der Schwere der Operation oder dem Gesundheitszustand des Patienten ergeben.
Zu den allgemeinen Risiken gehören beispielsweise:
- Störungen des Herz-Kreislauf-Systems
- Beatmungsprobleme
- Beschädigung der Frontzähne bei der Intubation
- Allergische Reaktionen auf gegebene Narkosemittel
Diese Risiken treten selten auf.
Bei empfindlichen Personen kann es im Zusammenhang mit Narkosen zu Übelkeit und Erbrechen kommen. Um für diesen Fall das Einfließen größerer Mengen Mageninhaltes in die Lunge zu vermeiden, müssen Sie als Patient die Nüchternheit vor der Narkose unbedingt einhalten.
Das von vielen Patienten gefürchtete Aufwachen während der Operation, ohne dass Operateur oder Anästhesist dies bemerken, ist sehr selten. In den Fällen, in denen dies vorgekommen ist, lagen überwiegend besondere Narkosesituationen vor.
Dagegen können die besonderen Risiken, die sich aus der Schwere der Operation oder aus einem schlechten Gesundheitszustand ergeben, das individuelle Narkoserisiko deutlich erhöhen.
Um derartige Komplikationsmöglichkeiten zu erkennen und gegebenenfalls zusätzliche Überwachungen oder Medikamentengaben während der Narkose festzulegen, benötigt der Anästhesist beim Gespräch zur Vorbereitung der Narkose vom Patienten alle verfügbaren Informationen. Daraus kann er das individuelle Risiko abschätzen und die notwendigen Maßnahmen besprechen.
Welche Alternativen zur Vollnarkose bestehen?
Bei einigen Operationen ist als Alternative eine örtliche Betäubung, die Regionalanästhesie, möglich. Der Anästhesist wird auf diese Möglichkeiten beim Gespräch zur Vorbereitung der Narkose hinweisen, wenn diese Alternative sinnvoll ist.
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Übelkeit und Erbrechen nach der Vollnarkose
Die Ruhr-Unversität Bochum legte jetzt die Ergebnisse einer Studie zu Übelkeit und Erbrechen nach Operation unter Vollnarkose vor. Diese Nachwirkung wird als PONV (englisch: postoperative nausea and vomiting) bezeichnet.
215 Patientinnen und Patienten wurden zu ihrem Befinden vor der Operation und während der ersten 24 Stunden danach befragt.
Übelkeit hatte sich in 14,9 Prozent der Fälle eingestellt. 4,7 Prozent der Patienten berichteten, dass sie sich erbrechen mussten.
Frauen tragen demzufolge ein vier- bis fünfmal erhöhtes Risiko für diese Nachwirkungen.
Auch wer früher schon einmal nach einer Operation unter Vollnarkose Übelkeit verspürte oder unter Reisekrankheit leidet, verträgt die Vollnarkose möglicherweise nicht so gut.
Ein Risiko ist auch die Angst vor der Operation: ein Drittel der Patienten, die angaben, große Angst vor der Operation zu haben, litten danach an Übelkeit und Erbrechen.
Wenn schon vor der Operation bekannt ist, dass der Patient ein erhöhtes PONV-Risiko trägt, kann möglicherweise eine andere Form der Narkose gewählt werden, beispielsweise eine Rückenmarksnarkose. Außerdem empfiehlt sich dann die Gabe von Medikamenten, um die Häufigkeit und Schwere der Übelkeit zu senken. (Persönliche Anmerkung - 2021: Ich habe von einem Narkosearzt erfahren, daß es das Narkosegas sei, welches zu 80 % bei Frauen und zu 10 % bei Männern Übelkeit verursacht. Ich gehöre leider auch zu dieser Spezies.)
Operationen unter Vollnarkose sind heute sehr sicher: Noch in der vierziger Jahren starb im Durchschnitt jeder tausendste Patient an Komplikationen der Narkose, heute sind es nur noch vier unter einer Million Operierten.
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Narkose - gefahrloser Tiefschlaf?
Grenze der Wahrnehmung
Die moderne Anästhesie steuert gleichzeitig Wachzustand, Schmerzfreiheit und Muskelentspannung
Da das Gehör selbst in Narkose noch teilweise funktioniert, können Geräusche dabei helfen, sanftere Betäubungen mit geringen Risiken zu entwickeln. Die Grundidee klingt einfach, doch die technische Umsetzung ist kompliziert.
Betäubungsmittel werden seit Jahrhunderten verwendet
Belastung für den Körper
Damit Menschen bei einer Operation möglichst wenig Schmerzen erleiden müssen, werden schon seit Jahrhunderten Betäubungsmittel verwendet.
Vor allem Vollnarkosen stellten eine Belastung des Körpers mit ernsten Risiken dar.
Ob Äther, Chloroform oder Morphium, je wirksamer die betäubende Wirkung, desto heftiger waren auch die Nebenwirkungen.
Überwachung im Operationssaal
Eine Narkose besteht aus drei Teilen.
Heute kommen in der Anästhesie bei einer Vollnarkose viele unterschiedliche Medikamente gleichzeitig zum Einsatz, um möglichst schonend die verschiedenen Aufgaben zu erfüllen:
Erstens unterdrücken sie Schmerzen, zweitens versetzen sie den Patienten in Bewusstlosigkeit und drittens entspannen sie die Muskulatur.
Im modernen Operationssaal werden diese drei Faktoren jederzeit überwacht und geregelt.
Dass die Narkose zu früh nachlässt, passiert nur in extremen Einzelfällen
Der Albtraum jedes Patienten.
Was aber passiert, wenn die Narkose zu früh nachlässt, die Betäubung versagt und der Körper durch die muskelentspannenden Mittel gelähmt ist? Dieser Alptraum geschieht jedoch zum Glück nur in extrem seltenen Einzelfällen.
In einer Studie, an der mehrere deutsche Kliniken beteiligt waren, wurden vor kurzem 60 Patienten untersucht, die während einer Operation erwacht waren.
Es ging dabei vor allem darum, wie viel die Menschen von dem Geschehen wahrgenommen hatten, ob sie währenddessen Angst oder Schmerzen erlitten und welche Spätfolgen sie davon getragen hatten.
"Intraoperative Wachepisode" ein Gefühl der Lähmung und Angst
Grenze des Bewusstseins.
Alle Patienten waren in der Lage zu hören, die meisten konnten sich sogar noch an Gespräche im Operationssaal erinnern. Viele gaben auch an, etwas gesehen zu haben.
Der Studie zufolge hatten nur wenige Patienten während der "intraoperativen Wachepisode" das Gefühl der Lähmung, der Hilflosigkeit und der Angst.
Dennoch leidet etwa die Hälfte der Patienten unter Spätfolgen, auch wenn nur Einzelne noch ärztliche Behandlung brauchen. Welche Qualen sie durchlebt haben, kann keine Studie beschreiben.
Über einen Ohrhörer hört der Patient Geräusche. Dabei wird gleichzeitig beobachtet, ob sich im EEG eine Änderung der Hirnströme zeigt.
Die Zeichen erkennen!
Der Schutz vor dem intraoperativen Erwachen wird dadurch erschwert, dass sich der Wachheitsgrad des Patienten bislang nur schwer durch Messung von Hirnströmen, Puls, Blutdruck etc. sicher feststellen ließ.
Nun soll ein einfacher Trick für restlose Sicherheit sorgen: Über einen Ohrhörer werden dem Patienten Klickgeräusche vorgespielt und gleichzeitig beobachtet, ob sich im EEG (dem Muster der elektrischen Aktivitäten im Gehirn) eine Änderung zeigt.
Tatsächlich führen Töne selbst in tiefer Narkose noch zu Reaktionen im Hirn, obwohl der Patient nichts mehr davon wahrnimmt.
Diese EEG-Änderungen bei unterschiedlicher Narkosetiefe sind zwar sehr gering, die Forscher können inzwischen aber bereits erste Anzeichen des Erwachens erkennen.
Künftig werden Narkoseärzte durch dieses Verfahren noch frühzeitiger Gegenmaßnahmen ergreifen können.
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