Transsexualität-NIBD

Autor Thema: Wie soll es weitergehen?  (Gelesen 1849 mal)

Offline LindaBadBerka

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Wie soll es weitergehen?
« am: 17.Jun 2017, 17:57 »
Liebe Community,
zuerst möchte ich sagen, dass es mir Leid tut, das ich so lange nicht mehr geschrieben habe. Es hat sich in dieser Zeit so viel verändert und ich wusste nicht, wie ich es schreiben sollte. Momentan bin ich immer noch ein Junge und muss mich so jeden Tag durchschlagen. Mittlerweile habe ich meine alte Schule mit einem sehr guten Ergebnis verlassen und nun gehe ich in ein berufliches Gymnasium.
Bis her war es so: Ich erinnere mich an meine alte Schule und da dort jeder wusste, dass ich transsexuell bin, wurde ich von einigen Personen ziemlich stark gemobbt. Ich wurde oft von meinen Peinigern verfolgt und traten die Toilettentür ein, machten heimlich Fotos, wollten Prügel mit mir und noch viel mehr….Das konnte ich nicht mehr aushalten und deswegen habe ich mich entschieden, wieder mich als Junge zu versuchen. Ich sagte allen, darunter auch meinen Eltern, dass es nur eine Phase war und ich ein richtiger Mann werden will. Daran bin ich aber richtig gescheitert, denn der Wunsch, endlich ein Mädchen zu sein, ist immer noch da. Noch nie habe ich mich so selber verstellt. Meine (vernünftigen) Mitschüler mochten es auch nicht, dass ich so männlich sein wollte. Ich hatte z. T. heftige Schlägereien mit den Möchtegern-Machos und musste mich vor der Schulleitung verantworten. Ich hatte mich so geschämt dafür, dass ich mich geoutet habe. Ich schäme mich eigentlich immer noch. Ich weiß auch nicht, es war schon eine miese Zeit. Zum Glück haben meine Noten darunter nicht gelitten und hatte die Lehrer als Unterstützung. Mit meinen Eltern hat sich dieses Thema nun endgültig erledigt und seitdem wurde das nicht mehr angesprochen. Nun gehe ich in eine neue Schule und denen habe ich nichts von meiner Transsexualität erzählt. In meiner Klasse sind nur Jungs, da ich in eine Klasse mit Fachrichtung Datenverarbeitung und Elektrotechnik gehe. Ich möchte diese schlimmen Erfahrungen und mein altes Leben in der alten Schule endgültig hinter mir lassen und versuche möglichst unauffällig als normaler Junge zu wirken. Den Namen „Linda“ möchte ich niemals wieder hören, er erinnert mich nur an diese schrecklichen Zeiten. Ich fühle mich aber immer noch als Mädchen und ich bestreite das auch nicht. Mittlerweile habe ich aber schon sehr lange Haare (über 25 cm). Man kann zwar sagen, das ist toll. Aber wenn man als Junge mit „Mädchenhaaren“ herumläuft komme ich mir albern vor, da das überhaupt nicht zu meinem Gesicht und Körper passt. Meine Mitschüler gaben mir schon Tipps, wie ich super männlich aussehen kann und wie ich schnell eine Freundin finde. Ich sage denen, dass es sie nichts angeht und dass sie mich in Ruhe lassen sollen. Auch finde ich meine Klasse echt schlimm. Sie ist laut und wirklich sehr kindisch. Ich würde mir gar nicht ausmalen können, was passiert, wenn ich mich oute. Im Laufe dieser 3 Jahre, auf der ich auf das berufliche Gymnasium gehe und ich dort Abitur machen möchte, muss man eine Seminarfacharbeit schreiben. Mir kam sofort die Idee, über das Thema Transsexualität zu schreiben. Mit viel Glück habe ich zwei engagierte Mitschülerinnen aus der Parallelklasse gefunden, die wirklich da sehr offen sind und auch am Thema interessiert. Unsere Seminarfacharbeit heißt nun „Transsexualität – Gefangen im falschen Körper?“. Dabei ist unser Ziel die Aufklärung und Bekämpfung von Vorurteilen. Ich wurde schon öfters gefragt, ob ich selber transsexuell sei. Ich beneinte es. Ich möchte nicht schon wieder in so eine Schublade gesteckt werden, wie ich mich als Transsexuelle verhalten soll! Aber ich merke immer wieder, dass es nicht mehr so weiter gehen kann. Mit der Schule und mit meinen Eltern läuft es eigentlich sehr gut, ich bin gesund und habe ein gutes Leben. Trotzdem bin ich nicht glücklich, ich kann mich so nicht mehr im Spiegel sehen. Vor einiger Zeit bin ich zu meinen Hausarzt gegangen und habe bei der Gelegenheit gefragt, wie ich zu einem Psychologen finden kann. Zum Glück war meine Hausärztin sehr rücksichtsvoll und hat mir eine Psychologin in meiner Nähe gefunden, wo schon einige transsexuelle Menschen behandelt wurden und ein gutes Feedback bekam. Ich würde am liebsten dort mit der Behandlung anfangen. (Wie lange muss man eigentlich warten, bis man einen Termin bei so einem Psychologen bekommt?) Ich will aber nicht schon wieder mit meinen Eltern zerstreiten. Sie würden mich immer noch sofort rausschmeißen, wenn ich dann als Mädchen leben will. Das haben sie mir letztens noch sehr deutlich gemacht. Doch auch wenn ich schon bald 18 bin, fühle ich mich kaum reif, alleine zu wohnen. Dabei kann es nicht mehr lange gut gehen. Mein Körper verändert sich und ich werde immer männlicher. Mein größtes Problem ist es jedoch, dass ich mit niemandem darüber reden kann, ich fühle mich komplett alleine. Das alles zerfrisst mich so sehr und ich habe wirklich keine Ahnung mehr, wie es weiter gehen soll. Ich möchte als Frau leben, alles andere kann ich mir nicht mehr vorstellen, auch wenn ich es überall leugne. Mich beschäftigt dieses Problem schon wirklich sehr lange, ich entwickelte schon richtig ein gestörtes Sozialverhalten: Ich bin meistens alleine und meide andere Menschen, ich schäme mich, in der Öffentlichkeit zu sein und bin ständig unruhig und nervös. Manchmal wird es sogar so schlimm, dass ich mich selber schlage. Ich weiß, dass es nicht richtig ist und deshalb will ich auch was unternehmen! Deshalb frage ich euch, wie soll es mit mir weitergehen? Soll ich die Therapie beginnen und wie kann ich es machen, möglichst mein Verhältnis zu meiner Familie nicht so schwer zu schädigen? Ich weiß, dass man sich nicht abhängig von Akzeptanz machen darf und im Grunde ist mir die breite Öffentlichkeit egal, auch meine Mitschülern. Aber meine Familie will ich absolut nicht verlieren und das macht mir die größten Sorgen! Ich weiß echt nicht, wie es weiter gehen soll. Denn ich bin ein Mädchen, und egal, was geschieht und geschehen wird, es bleibt dabei, egal wie sehr ich mich verstelle! Ich bedanke mich sehr, dass ihr den langen Text gelesen habt und über einen Ratschlag wäre ich sehr dankbar. Schließlich haben wir alle unsere Probleme und Sorgen und ich denke an alle anderen transsexuellen Kindern, die so etwas durchmachen müssen. Mit freundlichen Grüßen!