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Pubertas praecox vera:
Hemmung der Pubertätsentwicklung durch GnRH-Analoga
Christian Roth
aus korasion Nr. 2, Mai 2001
Der Beginn der Pubertät wird physiologisch durch eine Aktivierung der hypothalamischen Gonadotropin-Releasing-Hormon(GnRH)-Sekretion ausgelöst. Die pulsatile GnRHSekretion bewirkt eine Stimulation der ebenfalls pulsatilen Sekretion hypophysärer Gonadotropine, wodurch die Sexualhormonsynthese in den Keimdrüsen stimuliert wird. An der Regulation der hypothalamischen GnRH-Sekretion sind unter anderem die Aminosäure-Neurotransmitter ã-Aminobuttersäure (GABA) und Glutamat beteiligt. Eine vorzeitige Aktivierung der GnRH-Sekretion im Kindesalter führt zu einer Pubertas praecox vera.
Definition der Pubertas praecox
Als Pubertas praecox wird üblicherweise das Auftreten erster Pubertätszeichen (Thelarche, Pubarche, Gonadarche) bei Mädchen vor dem achten bzw. bei Jungen vor dem neunten Geburtstag definiert. Je nachdem welche Population untersucht wird, müssen jedoch andere Kriterien zugrunde gelegt werden. Bei Nordamerikanerinnen afrikanischer Herkunft beginnt die Pubertät z.B. durchschnittlich ein Jahr früher als in der weißen Bevölkerung (Klein, 1999). Zudem ist wichtig, die durch ein verfrühtes Einsetzen der hypothalamischen GnRH-Sekretion ausgelöste Pubertas praecox vera von der GnRH-unabhängigen Pseudopubertas praecox zu unterscheiden. Bei beiden Formen ist die Sexualsteroid-Sekretion erhöht. Jedoch weisen Patienten mit Pubertas praecox vera als Folge der GnRH-Stimulation gegenüber der Altersnorm erhöhte LH- und FSH-Serumkonzentrationen auf, wohingegen Patienten mit einer Pseudopubertas praecox infolge einer verstärkten adrenalen oder gonadalen Steroidsekretion supprimierte Gonadotropin-Werte aufweisen.
Bisherige Therapie mit GnRH-Agonisten
Therapeutisch werden bei Pubertas praecox vera seit etwa 20 Jahren agonistische GnRHAnaloga eingesetzt (Crowley et al., 1981). Das heißt: Durch eine kontinuierliche, d.h. eine unphysiologische, nicht-pulsatile Zufuhr von GnRH kommt es aufgrund einer Down-Regulation der Expression und Funktion der GnRH-Rezeptoren zum Sistieren der LH-Sekretion (Nett et al., 1981). Durch die Suppression der vorzeitig aktivierten Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse werden bei Mädchen und Jungen die sexuelle Reifung und bei Mädchen auch prämature Menstruationsblutungen gestoppt. Ferner wird die gegenüber dem chronologischen Alter akzelerierte Knochenreifung abgebremst. Dadurch kann eine normale Endgröße der Patienten erreicht werden, sofern eine effektive Therapie rechtzeitig und lange genug durchgeführt wurde (Partsch et al., 1993 und 1999; Paul et al., 1995; Carel et al., 1999; Heger et al., 1999; Bertelloni et al., 2000).
GnRH-Agonisten weisen jedoch auch Nebeneffekte und teilweise zudem eine unbefriedigende Effizienz auf (Partsch et al., 1999): Zu Beginn der Behandlung kommt es zunächst zu einer Aktivierung der Hypophysen-Gonaden-Achse („flare-up“), die für Tage bis wenige Wochen anhält. Bei zu langen Injektionsintervallen kann diese Aktivierung immer wieder auftreten, was zum Gegenteil des gewünschten Effektes führt, d.h. zu einer massiven Reaktivierung der Gonadotropin-Sekretion sowie zur Beschleunigung der sexuellen Reifung und der Skelettentwicklung mit nachteiligen Folgen für die Endgröße. Ferner wird nicht selten nach Absetzen der GnRH-Agonisten ein sehr schnelles Voranschreiten der Pubertätsentwicklung mit einem zügigen Abschluss des Längenwachstums beobachtet (Oostdijk et al., 1991; Schroor et al., 1995). Bei manchen Patienten kann daher eine deutliche Dosiserhöhung oder eine Verkürzung der Injektionsintervalle notwendig werden, um die Down-Regulation der GnRH-Rezeptoren ununterbrochen aufrechtzuerhalten (Pescovitz et al., 1991; Partsch et al., 1999).
GnRH-Agonisten versus -Antagonisten
Synthetische GnRH-Analoga weichen in ihrer chemischen Struktur in mindestens einer Aminosäure von dem natürlichen Dekapeptid GnRH ab. Aufgrund dieser Abweichungen in der chemischen Struktur sind die synthetischen Peptide weniger empfindlich gegenüber abbauenden Enzymen und wirken somit länger. Zudem ist die Affinität der synthetischen GnRH-Analoga zu den GnRH-Rezeptoren größer als diejenige des natürlichen GnRH (Roger et al., 1986; Plosker und Brodgen, 1994). Je nach Anzahl und Position der Substituenten haben GnRH-Analoga agonistische oder antagonistische Eigenschaften: Der Agonist Triptorelin und das agonistische Nonapeptid Buserelin weisen je nur einen Substituenten in Position 6 auf. Der GnRH-Antagonist Cetrorelix hingegen ist mit fünf Substituenten ausgestattet (Haviv et al., 1998). Cetrorelix ist ein relativ neu entwickeltes GnRH-Analogon mit stark hemmender Eigenschaft (Bokser et al., 1991). Die Bindung dieser Substanz an den GnRH-Rezeptor verhindert die Aktivierung des intrazellulären G-Proteins, wodurch die Signaltransduktion in den hypophysären Zielzellen gehemmt wird (Hoffmann et al., 2000). In entsprechenden klinischen Studien wurde Cetrorelix unter unterschiedlichen endokrinen Indikationen zur Hemmung der Sekretion der Gonadotropine eingesetzt, so bei Patienten mit Ovarialkarzinom, Endometriumkarzinom, Prostatakarzinom und benigner Prostatahyperplasie (Emons et al., 1993; Behre et al., 1997; Comaru-Schally et al., 1998; Lamharzi et al., 1998). Mittlerweile wird dieser GnRH-Antagonist auch im Rahmen der In-vitro-Fertilisation angewandt, d.h. Cetrorelix ist zur reproduktionsmedizinischen Anwendung zugelassen (Cetrotide®) (Albano et al., 2000). Über die Anwendung von GnRH-Antagonisten zur medikamentösen Therapie bei Pubertas praecox vera liegen noch keine Erfahrungen vor. Rein theoretisch bietet diese neue Substanzgruppe gegenüber den GnRH-Agonisten jedoch erhebliche Vorteile. Denn es ist davon auszugehen, dass die ungünstige initiale Aktivierung der hypophysären Hormonsekretion, die bei Einsatz von GnRH-Agonisten in Kauf zu nehmen ist, bei Verwendung von GnRH-Antagonisten zu vermeiden ist. In den bislang durchgeführten Untersuchungen wurde der neue GnRH-Antagonist Cetrorelix angewandt, da er im Gegensatz zu den bereits länger bekannten Antagonisten weniger nachteilige Nebenwirkungen hervorruft (Phillips et al., 1988; Morale et al., 1991; Schally, 1999).
Vergleichende tierexperimentelle Untersuchungen
Tierexperimentell wurde an Ratten untersucht, wie sich - im Vergleich zu den GnRH-Agonisten Buserelin und Triptorelin - die Pubertätsentwicklung durch Verabreichung des GnRH-Antagonisten Cetrorelix beeinflussen lässt. In zwei Serien wurde prapubertären bzw. pubertären weiblichen Ratten vom 26. bzw. 28. bis 36. Lebenstag, d.h. zehn bzw. zwölf Tage lang, ein- bis zweimal täglich Cetrorelix, Buserelin bzw. Triptorelin oder Plazebo appliziert (Abb. 1). Ab Behandlungsbeginn wurden die Gewichtsentwicklung sowie der Pubertätsbeginn, gemessen am Zeitpunkt der Vaginalöffnung, protokolliert. Zudem wurden während der Behandlung Blutproben zur Bestimmung der Hormone LH, FSH und Estradiol gewonnen. Am Versuchsende wurden ferner die Gewichte von Uterus und Ovarien bestimmt sowie Messenger-RNA aus dem Hypophysengewebe isoliert. Die Konzentrationen der mRNA, der kodierenden Sequenzen für die Synthese des GnRH-Rezeptors und der Gonadotropin-Untereinheiten (LH-b, FSH-b sowie a-Untereinheit), wurden mit Hilfe der Realtime("Taqman")-PCRTechnik oder der kompetitiven RT-PCR quantifiziert, wobei die Realtime-PCR aufgrund ihrer größeren Schnelligkeit und höheren Sensitivität Vorteile gegenüber der kompetitiven RT-PCR bot.
Ergebnisse der tierexperimentellen Untersuchungen
Alle drei GnRH-Analoga führten bei den Tieren zu einer deutlichen Hemmung der Pubertätsentwicklung. Am Ende der Versuchsserien waren dementsprechend die Ovar- und Uterusgewichte der behandelten Tiere signifikant geringer als bei den Plazebo-behandelten Kontrolltieren. Wahrend Cetrorelix jedoch bereits nach einer Injektion die Gonadotropin-Sekretion inhibierte, stimulierten Buserelin und Triptorelin trotz einer effektiven Hemmung der Pubertätsentwicklung während der zehn- bzw. zwölftagigen Therapie die Bildung immunoreaktiver Gonadotropine (Ergebnisse der Cetrorelix- versus Triptorelin-Behandlung: siehe Tab. 1):
Bei niedriger Triptorelin-Dosierung (10 mg/die) wurde die hypophysare Expression des GnRH-Rezeptor-Gens stimuliert, wohingegen Cetrorelix (100 mg täglich) die Expression des Rezeptor-Gens hemmte (Abb. 2).
Nach Applikation der GnRH-Agonisten Buserelin und Triptorelin konnte eine deutliche Stimulation der Expression der Gene, die für die Bildung der Gonadotropin-Untereinheiten kodieren, festgestellt werden, wohingegen Cetrorelix zu einer signifikanten Inhibition des LH-ß-Gens führte (p < 0,05).
Diskussion der Untersuchungsergebnisse
In den Tierversuchen mit Ratten konnte die Pubertätsentwicklung sowohl durch zwei verschiedene GnRH-Agonisten (Buserelin und Triptorelin), als auch durch den GnRH-Antagonisten Cetrorelix effektiv gehemmt werden. Der GnRH-Antagonist inhibierte die Bildung der Gonadotropine, wohingegen allerdings die GnRH-Agonisten – bei ebenfalls effektiver Hemmung der Pubertätsentwicklung – selbst bei zehn- bzw. zwölftägiger Therapie die Gonadotropin-Sekretion stimulierten (Roth et al., 2000a). Für diese Beobachtung gibt es zwei Erklärungsmöglichkeiten:
Entweder führt die Behandlung mit GnRH-Agonisten zur Freisetzung immunoreaktiver, aber bioinaktiver Gonadotropine, wie dies bereits von verschiedenen Untersuchern beschrieben wurde, oder aber
GnRH-Agonisten modulieren die Gonadotropin-stimulierte Sekretion gonadaler Steroide durch Interferenz mit einem lokalen autoregulativen GnRH-System der Gonaden.
Das – gegenüber Cetrorelix – unterschiedliche Wirkprofil der GnRH-Agonisten konnte auch anhand der gesteigerten Expression der für die Bildung der Gonadotropin-Untereinheiten kodierenden Gene in der Hypophyse untermauert werden (Roth et al., 2000a). Ein entscheidender Vorteil der GnRH-Antagonisten scheint das Fehlen der initialen Aktivierung der Gonadotropin-Sekretion zu Beginn der Behandlung zu sein – ein Mechanismus, der bei Verwendung von agonistischen GnRH-Analoga die Regel ist. Auch ist aufgrund des anderen Wirkmechanismus nach Beendigung der Therapie keine überschießende Reaktivierung der Gonadotropin-Gonaden-Achse bei Verwendung von GnRH-Antagonisten zu erwarten. Es ist bekannt, dass der GnRH-Rezeptor durch GnRH selbst reguliert wird. In Hypophysenzellkulturen bewirkt eine pulsatile Stimulation mit GnRH einen Anstieg der GnRH-Rezeptor-Messenger-RNA, wohingegen die kontinuierliche Verabreichung hoher GnRH-Dosen zu einer Down-Regulation der GnRH-Rezeptoren-Bildung führt.
Wie vermutet, führt die Behandlung von präpubertären Ratten mit GnRH-Antagonisten zu einer Hemmung der Pubertätsentwicklung, die mit einer Down-Regulation der hypophysären GnRH-Rezeptoren assoziiert ist. Interessanterweise kam es jedoch nach Gabe eines GnRH-Agonisten in niedriger Dosis (Triptorelin, 10 µg/die) zu einer Stimulation der Expression der hypophysären GnRH-Rezeptor-Gene, wohingegen der GnRH-Antagonist (Cetrorelix, 100 µg/die) – entsprechend der Rezeptor-Down-Regulation – zu einer Suppression der Rezeptor-Messenger-RNA-Konzentration führte.