Transsexualität-NIBD

Autor Thema: Komplexitäten aus Sicht des Vaters  (Gelesen 4473 mal)

Offline Bengabor

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Komplexitäten aus Sicht des Vaters
« am: 20.Jan 2016, 23:15 »
Ein Hallo meinerseits in die Runde

Gerstern hat unser 19,5-jähriger Sohn  mitgeteilt, dass er sich eigentlich als Frau fühlt.
Ich möchte, bevor ich am Ende Fragen in die Runde setze, ein wenig unsere Familiensituation beschreiben:

Ich bin geschieden, er (sie) war ein Wunschkind von mir und seiner Mutter, meiner Ex-Ehefrau. Getrennt haben wir uns, wie er/sie 2 Jahre alt war, sind aber immer in sehr enger Kommunikation geblieben, haben alle wichtigen Feiertage und Familienfeste zusammen verbracht.
Ich, der Vater, habe mich aber nach der Trennung von der Mutter Männern zugewandt und lebe seither offen homosexuell. Der Sohn hat von Klein auf meine Partner kennen gelernt, war zum Teil in gutem Kontakt mit ihnen.
Diesbezüglich war sexuelle Orientierung in unserer Familie immer ein sehr offenes, freies und unkompliziertes Thema.

Sohn (Tochter) hat also gestern ein Gespräch mit mir und seiner Mutter gewünscht und dann geoutet, er möchte sich wandeln in Frau, er habe sich in seinem Körper immer fremd gefühlt, er könne seinen männlichen Haarwuchs nicht ausstehen.

Seine Mutter und auch ich waren uns bewusst, dass er (sie) sich seit einsetzender Pubertät sehr mit seiner sexuellen Identität auseinandergesetzt hat. Er hatt auch sowohl mit gleichaltrigen Mädchen als auch Jungen Partnerschaften und sexuellen Kontakt.
Gleichzeitig ist er (sie) auch eine sehr spezielle Persönlichkeit, von Klein auf sehr kopflastig (intellektuell) und immer sehr auf Extrempositionen. Heute ist er Aktivist in der Anarcho-Szene, Punk-Gitarrist, Vegan ....  - auf dieser ideologischen und lebenswandelnden Basis ist er in der Schule von Klein auf sehr oft angeeckt, hatte nie viele enge Freundschaften, war oft ein gehänselter Aussenseiter  ....
Bei Problemen hat er (sie) oft nicht versucht diese wirklich zu lösen, sonder diese zu umgehen, resp. vor ihnen zu flüchten.


Nun zu meinen wirklichen Fragen:

- das Outing gestern hat mich trotzdem total überrascht, bis anhin war sein bi-sexuelles Verhalten für mich immer als ein Ausleben seiner Männlichkeite gesehen worden. Aufgrund seiner allgemeinen Lebensproblematik, nicht wirklich zufrieden zu sein wie es so läuft mit ihm (ihr), wie kann ich da sicher sein, dass er  "wirklich" Trans ist, also wirklich Frau und nicht Mann  -  und nicht wiederum einmal mehr vor generellen Problemen einen Ausweg sucht, "flüchtet"?

- inwiefern habe ich mit meinem eigenen freien sexuellen Lebensstil als Vater etwas vorgelebt, was eventuell den Umgang mit sexueller Identität als etwas sehr frei Handelbares und auch Austauschbares erscheinen lässt?

- er (sie) möchte nun schnellstmöglich die Wandlung anpacken und möchte unsere Unterstützung hierfür. Einerseits sind wir, die Eltern natürlich mit unserem Kind,  fühlen uns aber ein wenig überrumpelt und brauchen selber Zeit, mal zuerst damit zugange zu kommen, bevor wir diese Unterstützung überhaupt in der Lage sind geben zu können. Wie können wir unseren Sohn eine wenig "verlangsamen" in seinem Drang, ohne dass er denkt wir würden ihn daran prizipiell hindern wollen?

Danke für das Lesen bis hierher und herzlichen Dank im Voraus fü Eure Antworten.

LG,
Beng.
"La terre est bleue comme une orange"  (Paul Eluard)

Offline selfmademan

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Re: Komplexitäten aus Sicht des Vaters
« Antwort #1 am: 21.Jan 2016, 00:45 »
Hallo Bengabor,

herzlich willkommen in unserem Forum. Du bist der erste homosexuelle Vater bei uns. Das wird die Infolandschaft hier bestimmt erweitern. Ich bin gespannt.  :)


Nun zu meinen wirklichen Fragen:

- das Outing gestern hat mich trotzdem total überrascht, bis anhin war sein bi-sexuelles Verhalten für mich immer als ein Ausleben seiner Männlichkeite gesehen worden. Aufgrund seiner allgemeinen Lebensproblematik, nicht wirklich zufrieden zu sein wie es so läuft mit ihm (ihr), wie kann ich da sicher sein, dass er  "wirklich" Trans ist, also wirklich Frau und nicht Mann  -  und nicht wiederum einmal mehr vor generellen Problemen einen Ausweg sucht, "flüchtet"?
Nun, bevor irgendwelche medizinischen Schritte eingeleitet werden, steht erst einmal die psychotherapeutische Begleitung bei einem TS-erfahrenen Therapeuten an, denn nur dieser kann die offizielle Diagnose. Transsexualität läßt sich aber nicht positiv diagnostizieren sondern ist eine "Negativ-Diagnose". Heißt, wenn es alles andere nicht ist, wie. z. B. Borderline, Neurose, Psychose, Schizophrenie, Realitätsverlust, Wahrnehmungsstörungen, nicht eingestandene Homosexualität etc. pp. (Liste nicht komplett) (all das ist nämlich eindeutig diagnostizierbar) wird davon ausgegangen, daß es TS ist. Dazu bedient sich der Therapeut der Differentialdiagnostik im Ausschlußverfahren. Gesetz des Falles die Diagnose stimmt, müssen Therapeut und Patient herausarbeiten, welche Änderungsschritte als nächstes notwendig sind, um weiter glücklich zu werden. Aber soweit seid ihr ja noch nicht. Erstmal muß Dein Kind überhaupt einen TS-erfahrenen Therapeuten finden. Gute Therapeuten sprechen sich rum und haben mitunter eine lange Wartezeit. 6 Monate Wartezeit ist nicht selten.

- inwiefern habe ich mit meinem eigenen freien sexuellen Lebensstil als Vater etwas vorgelebt, was eventuell den Umgang mit sexueller Identität als etwas sehr frei Handelbares und auch Austauschbares erscheinen lässt?
Gar nichts! Erstens hat die sexuelle Orientierung mit der Geschlechtsidentität (vermutlich ist es das was Du mit "sexueller Identität" meinst) nichts zu tun (müßtest Du eigentlich selbst am besten wissen, es gibt schwule Cis-Männer, hetero Cis-Männer und bisexuelle Cis-Männer, genauso gibt es schwule Transmänner, heterosexuelle Transmänner und bisexuelle Transmänner), zweitens ist Transsexualität angeboren und läßt sich bis in die strukturelle Gehirnanatomie zurückverfolgen. Niemand ist an irgendwas schuld, wenn das Kind transsexuell ist, es ist eine Laune der Natur, keine schöne, aber eine, die nicht unlösbar ist.

- er (sie) möchte nun schnellstmöglich die Wandlung anpacken und möchte unsere Unterstützung hierfür. Einerseits sind wir, die Eltern natürlich mit unserem Kind,  fühlen uns aber ein wenig überrumpelt und brauchen selber Zeit, mal zuerst damit zugange zu kommen, bevor wir diese Unterstützung überhaupt in der Lage sind geben zu können. Wie können wir unseren Sohn eine wenig "verlangsamen" in seinem Drang, ohne dass er denkt wir würden ihn daran prizipiell hindern wollen?
Indem ihr eurem Kind einfach die Freiheit läßt, eigene Erfahrungen zu sammeln. Nichts torpedieren, aber auch nichts forcieren. Euer Kind muß die Chance haben, sich ausprobieren zu können, experimentieren zu dürfen. Wenn dem Kind dann was nicht behagt, wird es das sehr schnell sein lassen. Fühlt es sich allerdings wohl und erwächst daraus Selbstbewußtsein, Stabilität und wachsendes Glücklichsein, dann wird das Kind weitermachen. Transsexualität ist im Prinzip auch eine Entwicklung und Findung zu sich selbst, der eigene Jakobsweg zu sich selbst. Wichtig ist aber, daß der ganze Prozeß therapeutisch begleitet wird, denn es gibt durchaus auch mal die ein oder andere Situation, die man ohne fachmännische Hilfe nicht mehr gut bewältigen kann.

Da Du Dich vorgestellt hast, schalte ich Dich für die zu Deiner Vorstellung passenden Bereiche frei. Dies wäre einmal der allgemein verdeckte Bereich, wo die Infos intimer werden und der auch unseren internationalen Chirurgenvergleich in Wort und Bild enhält, alles intime Sachen die kein Gast oder Schaulustiger da draußen sehen muß. Und Du wirst für den Elternbereich freigeschaltet. Dort haben nur Eltern Zugang. Wir Admins halten uns da nach Möglichkeit raus, da wir mit Nicole zudem eine eigene Elternmoderatorin haben.

Übrigens, der SVDo (Schwule Väter Dortmund) war damals mein Einstand auf dem Dortmunder CSD. Wir hatten einen gemeinsamen Infostand, da wir damals noch keinen eigenen Pavillion etc. besessen haben. Ich erinnere mich gerne daran zurück.  :)

Offline Susanne35

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Re: Komplexitäten aus Sicht des Vaters
« Antwort #2 am: 21.Jan 2016, 05:04 »
Hallo Bengabor
willkommen auch von hier bei uns.
schön das Du da bist  ;)
und es ist schön zu lesen, das Du Dir als Vater so viele Gedanken machst und sorgst.
eines kann ich Dir -gans sicher beneien,
das Du mit deiner Sexualität deinem Sohn geschadet hast.
Du hast Ihn Liberal und weltoffen erzogen......gut so. :zustimm:
wenn er aber eine Sie ist und ts , dann weil sie es schon immer war ,
nur noch es nicht gewusst hat. :kratz:
Transsexualität hat ja nichts mit Sexualität -zutun ;)
und wenn Er/ Sie eine Therapie anfängt, dann ist es die Aufgabe der Psychologen
mit Ihm gemeinsam es herauszufinden ob eine  Transsexualität vor liegt oder nicht.
Stehe zu deinem Sohn egal wie Er / Sie ist. das ist schon große Hilfe für betroffene.
LG Susanne :)


Offline sara_

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Re: Komplexitäten aus Sicht des Vaters
« Antwort #3 am: 21.Jan 2016, 09:12 »
Hallo,

Grundlegend muss ich meinen Vorredern teils widersprechen. Klar, ein Therapeut/Psychiater stellt die Diagnose - aber wie ihr schon sagt, eine Negativ-Diagnose.
Letztenendes ist es so, auch im Gutachterprozess, dass die einzige Person die Transsexualität diagnostizieren kann, die Person selbst ist.
Ich will nun eine psychotherapeutische Begleitung nicht ablehnen, da der Weg manchmal mühsam ist und ein Gesprächspartner helfen kann. Aber sicherlich nicht im Hinblick "Sag mir ob meine Tocher trans ist oder nicht".

Wenn deine Tochter also sagt, sie sei eine Frau und sei transsexuell, dann würde ich das erstmal versuchen so anzunehmen.
Es gibt nämlich keine übergeordnete Instanz, die das eingehend abklären kann und dir einen Wisch gibt "Trans ja/nein".
Der Weg wird deiner Tochter und dir zeigen, was das Ziel ist.

Viel Glück dabei! :)
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alpha

Offline Jeanne Rising

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Re: Komplexitäten aus Sicht des Vaters
« Antwort #4 am: 21.Jan 2016, 10:05 »
Hallo und herzlich Willkommen

Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich könnte vielleicht ein wenig etwas nützliches zu alldem beitragen, da ich mich zumindest in einigen der Züge deines Kindes ein wenig wiedererkennen kann.

In Bezug auf sexuellen Kontakt zu beiden Geschlechtern kann ich nicht die gleichen Erfahrungen vorzeigen...ich war als Kind sowieso glaube ich nicht ganz so "mutig" wie deines und habe meine Extreme jetzt nicht unbedingt in der Anarcho Szene gesucht...der gehänselte Außenseiter war ich dennoch...ich war in der schwarzen Szene, war zwischendurch Visual Kei (Japanrock und die dazugehörige, ziemlich aufgebretzelte Optik)...auch im Bereich der Ernährung habe ich mir irgendwann meine Extreme gesucht...war panisch ängstlich, zuzunehmen und habe entsprechend immer mal andere Ernährungsformen ausprobiert - heute bin ich auch Veganerin. Ich habe früher Kung Fu betrieben...bin irgendwann auf Yoga gewechselt und betreibe auch das nun irgendwie leidenschaftlich. Sind Extreme nun wirklich so ein ausgeprägter Wesenszug von mir...ich weiß es nicht so recht...bei der veganen Ernährung mache ich nachwievor keine Abstriche, was ich aber auch irgendwie in meinem Weltbild als notwendig empfinde...aber viele andere Dinge sind in einem "harmloseren Maß" ein Teil von mir geworden...ich bin noch ein bisschen mehr schwarz als der Durchschnitt...ein bisschen ernährungsbewusster...aber die Panik, ich könnte auch nur ein Gramm zuviel zunehmen, wird sehr viel aufgelockert in mir durch die Tatsache, dass es jetzt zumindest (seit Beginn der Hormontherapie) an den richtigen Stellen wäre...
Vieles empfinde ich heute als einen Suchprozess...etwas, was ich gemacht habe, weil etwas in mir falsch war...und weil ich Wege gesucht habe, es zu finden. Vielleicht schlägt man einige Extreme einfach ein, um zu wissen, ob sie das sind, was einen glücklich macht. Und vielleicht - ausschließen kann man es nicht - ist bei deinem Kind auch der Blick ins andere Geschlecht ein solches Experiment...vielleicht ist es aber auch das, was immer in ihm schlummerte und wonach es gesucht hat. Ein Therapeut ist eine gute Anlaufstelle, um das herauszufinden...wenn ich euch etwas mitgeben sollte, dann, dass ihr eurem Kind einfach nahelegt, in der Therapie ehrlich zu sich selbst zu sein...man kann sich sehr viel intellektuell zurechtlegen, aber die Antworten liefert das nur selten. Der Weg beginnt mit vielen kleinen, vielleicht auch ängstlichen Schritten - man probiert sich in der Kleidung des anderen Geschlechts aus...geht auf die andere Toilette...und bei alldem kann man immer ein bisschen herausfinden, wie sich das nun anfühlt...und dieses Gefühl ist ein weit besserer Wegweiser als alles, was man sich so ausdenken kann...mir ist das erst mit Beginn der Hormontherapie wirklich klargeworden. Ausmalen kann man sich so viel, doch die Unsicherheit bleibt...aber die unbeschreiblichen Glücksgefühle, die ich empfinde, wenn ich an mir herabschaue und sehe, dass da oben etwas wunderbares wächst...die belügen mich nicht.

Was die Auswirkungen deines Lebensstils angeht, so würde ich das höchstens positiv sehen, dass er dein Kind vielleicht zu Selbstentdeckungen ein wenig ermutigt hat, weil es keine Angst haben musste, dass Dinge irgendwie problematisch aufgefasst werden könnten. Wichtig ist denke ich auch hier nochmals, dass es so bleibt...dass es die Möglichkeit hat, in Ruhe herauszufinden, ob es wirklich das richtige ist - irgendwie "zur OP durchrennen" kann man durch das gegebene Verfahren sowieso nicht...wenn die TS sich aber bestätigen sollte im Verlauf, dann ist das etwas, was sich in seinem persistierenden Charakter auch nicht entfernen lässt, über die Jahre nur schlimmer geworden wäre...und alle bisherigen Versuche, daran irgendwas "wegmachen" zu wollen, waren höchst suizidförderlich...

Zuletzt natürlich auch für euch: Es ist normal, Zeit für die Anpassung zu brauchen...euer Kind beschäftigt sich damit ja doch schon ein wenig länger (zumindest mit diesem speziellen Thema...), also werft euch das auch selber nicht vor. Ich glaube, dass ehrliches Bemühen auf jeden Fall beim Kind ankommt, auch, wenn die Umstellung noch etwas Zeit braucht. Über das Ausbremsen würde ich mir indes nicht zuviele Gedanken machen...eine Angleichung ist nichts, was man "mal eben so" durchzieht...und gerade bis zu wirklich irreversiblen Schritten dauert es ja doch ein wenig.

Viel Glück :)
LG
Johanna
Jeanne Rising

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Offline Luckygirl

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Re: Komplexitäten aus Sicht des Vaters
« Antwort #5 am: 21.Jan 2016, 14:02 »
Herzlich willkommen, Und Danke für Deine sehr offene Art die auch hier sehr viel berreichern kann.

Seine Mutter und auch ich waren uns bewusst, dass er (sie) sich seit einsetzender Pubertät sehr mit seiner sexuellen Identität auseinandergesetzt hat. Er hatt auch sowohl mit gleichaltrigen Mädchen als auch Jungen Partnerschaften und sexuellen Kontakt.
Gleichzeitig ist er (sie) auch eine sehr spezielle Persönlichkeit, von Klein auf sehr kopflastig (intellektuell) und immer sehr auf Extrempositionen. Heute ist er Aktivist in der Anarcho-Szene, Punk-Gitarrist, Vegan ....  - auf dieser ideologischen und lebenswandelnden Basis ist er in der Schule von Klein auf sehr oft angeeckt, hatte nie viele enge Freundschaften, war oft ein gehänselter Aussenseiter  ....
Bei Problemen hat er (sie) oft nicht versucht diese wirklich zu lösen, sonder diese zu umgehen, resp. vor ihnen zu flüchten.


Oft ist es gerade dieses Verhalten, den Ausweg in vielen Extremen zu suchen.
Das kommt mir recht bekannt vor, wenn ich da ein paar Jahrzente zurückdenke. Schulischer  Aussenseiter, viele Pausenhofschlägerein, danach Mopeds frisieren ab dem 12 Lebensjahr , Schwarzfahren mit dem Auto mit 16. Mit 19 Jahren geheiratet , Familie. Ich versuchte mich in der extremen Technikwelt zu verbergen , dachte oft selbst bei mir , daß ich nicht ganz normal bin. Später flüchtete ich mich in die Arbeit......
Mein Psycho sagte zu mir , alles ganz typisch dafür.

Eure neue Tochter hat Zeit , Zeit die glebte Rolle zu testen, um danach Ihre Entscheidungen zu treffen.
Lieben Gruß
Minchen
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Offline Bengabor

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Re: Komplexitäten aus Sicht des Vaters
« Antwort #6 am: 21.Jan 2016, 21:43 »
WOW !!! - herzlichen Dank an alle. Dass ich so schnell so viele (auch unterschiedliche) und ausführliche Reaktionen und Antworten bekomme ist super.
Und die herzlichen Begrüßungen lassen mich wirklich willkommen fühlen. :-)

Soeben habe ich auch mit meiner Ex-Partnerin und betroffene Mutter länger telefoniert, wäre nicht schlecht gewesen ich hätte schon vorher Eure Reaktionen gelesen.
Ich glaube, die Frage die uns mitunter am Meisten beschäftigt ist. ob wir nicht von uns aus schon früher "etwas" hätten merken oder wahrnehmen sollen.

Aber "haben sollen" und "ob/wenn" hilft ja nicht wirklich weiter *g*.
Die Hinweise auf die therapeutische Begleitung sind wichtige Wegweiser. (((Bin soeben sehr unsicher, ob im Zusammenhang mit TS die "Therapie" nicht eine sehr unglückliche Bezeichnung ist ...)))

Im Nachgespräch heute mit Sohn/Tochter haben wir uns auch interessiert, mit wem er/sie über sich in seinem Umkreis gesprochen hat. Es ist anzumerken, dass er so ab Alter 16 regelmäßig in Jugendgruppen der LGBT verkehrt hat, auch Kontakt hatte mit TS und ferner auch für knapp 3 Jahre in einer psychoanalytischen Betreuung war (auf eigenen Wunsch). Wie sich nun heute herausstellte, hat er/sie aber weder im Umkreis der LGBT über sich und sein Inneres gesprochen, noch mit dem Therapeuten über seine Zweifel am eigenen Geschlecht.
>>> das finden wir als Eltern nicht gerade beruhigend ...

Ich bin in Berlin. Gibt es hier auch eine Elterngruppe, die sich hin- und wieder trifft?

Besten Gruß,
Beng.

"La terre est bleue comme une orange"  (Paul Eluard)

Offline selfmademan

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Re: Komplexitäten aus Sicht des Vaters
« Antwort #7 am: 21.Jan 2016, 22:11 »
Ich glaube, die Frage die uns mitunter am Meisten beschäftigt ist. ob wir nicht von uns aus schon früher "etwas" hätten merken oder wahrnehmen sollen.
Du glaubst gar nicht, was Eltern alles nicht wissen können. Ich war zwar immer irgendwie burschikos, aber als ich mich vor meinen ehemaligen Pflegeeltern geoutet habe, sind sie aus allen Wolken gefallen. Ich habe halt alles für mich behalten, mit niemandem drüber gesprochen, wurde ja eh schon genug gemobbt und ich habe versucht, die Rolle der "Frau" zu erfüllen, was mir aber nie so richtig gelungen ist. Ich bin ein furchtbar schlechter Schauspieler. Meine Pflegeeltern waren die letzten, die es überhaupt erfahren haben, so massive Angst hatte ich vor denen. Hinzu kam natürlich aber auch, daß burschikose Mädels in unserem Kulturkreis mittlerweile gang und gäbe sind, da guckt keiner mehr doof und da denkt sich auch keiner was dabei. Verhindert aber andererseits die Erkennung, in welche Richtung es da gehen soll.

Aber "haben sollen" und "ob/wenn" hilft ja nicht wirklich weiter *g*.
Die Hinweise auf die therapeutische Begleitung sind wichtige Wegweiser. (((Bin soeben sehr unsicher, ob im Zusammenhang mit TS die "Therapie" nicht eine sehr unglückliche Bezeichnung ist ...)))
"Therapie" ist nur ein Wort, wegen einer Bezeichnung, eines Namens, muß man sich nicht diskriminiert oder beängstigt fühlen. Tun leider viele, die haben aber auch ganz andere Probleme und sind nicht TS im engsten Sinne der Definition. Dazu kannst Du einige schöne Stories bei uns lesen, vorsicht, die sind schwere Kost.

Im Nachgespräch heute mit Sohn/Tochter haben wir uns auch interessiert, mit wem er/sie über sich in seinem Umkreis gesprochen hat. Es ist anzumerken, dass er so ab Alter 16 regelmäßig in Jugendgruppen der LGBT verkehrt hat, auch Kontakt hatte mit TS und ferner auch für knapp 3 Jahre in einer psychoanalytischen Betreuung war (auf eigenen Wunsch). Wie sich nun heute herausstellte, hat er/sie aber weder im Umkreis der LGBT über sich und sein Inneres gesprochen, noch mit dem Therapeuten über seine Zweifel am eigenen Geschlecht.
>>> das finden wir als Eltern nicht gerade beruhigend ...
Wundert mich in zweierlei Hinsicht nicht. Erstmal muß man ja grob zu sich selber finden und es dauert, bis man ein Coming-In hat, die Tatsache als solches für sich selbst akzeptieren kann. Ich wollte auch lange nicht wahrhaben, daß ich TS bin. Ich wollte einfach nur normal sein. Zumal kannte ich aus dem Fernsehen nur Transfrauen und Transvestiten sowie Travestie Stars, Fummeltrienen und Co. denen man alles angesehen hat. So wollte ich nicht sein, ich wollte nicht, daß man mir meine genetische Weiblichkeit ansieht, ergo war ich im Glauben, daß das alles sowieso nicht auf mich zutrifft. So war ich nicht und so bin ich nicht. Ich wollte nur ein unauffälliger stinknormaler Mann sein. Nun gut, das Ziel habe ich, soweit die Medizin es hergibt, erreicht.

Zweitens ist gerade die LGBTI-Bewegung denkbar schlecht für ein Outing, der Transenhass ist nirgendwo größer als in der LGBTI. Wir haben erst letztes Jahr unsere leidige Erfahrung damit machen müssen.  :sigh: Nach vorne tun sie tolerant, aber zwischen den Zeilen sind dieser Bewegung unsere Bedürfnisse total egal, gehen denen auf gut deutsch sogar am Popo vorbei. Hat u. a. damit zu tun, daß das T in dieser gekünselten Zusammenstellung eher TG sind und weniger TS. TS haben andere Bedürfnisse als TG, aber das wirst Du sicher mit der Zeit in diesem Forum erlesen können.  :)

Beunruhigend muß das aber alles nicht sein. Bei einem TS-erfahrenen Therapeuten wird sich euer Kind, sofern die Chemie denn stimmt, anvertrauen können.

Ich bin in Berlin. Gibt es hier auch eine Elterngruppe, die sich hin- und wieder trifft?

Es gibt den Sonntagsclub in Berlin.

Offline Miri

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Re: Komplexitäten aus Sicht des Vaters
« Antwort #8 am: 22.Jan 2016, 00:08 »
Hi,

hm, womit fang ich denn am besten an...

...also was das Thema "Früherkennung" angeht ist es zumindest bei mir so gewesen das es sehr unwahrscheinlich gewesen wäre das meine Eltern auch nur eine Chance gehabt hätten es selber zu erkennen...
Ich habe im Januar '15 überhaupt selbst erstmals verstanden was eigentlich mein Problem ist(war). Nur ein 1/2 Jahr später kam dann mein Outing, also wie sollen Eltern etwas erkennen was man selbst nicht versteht?
Mach dir deshalb also bitte keine Vorwürfe oder so.

Was das Thema Extreme an geht, irgendwie scheint es mir bei den Antworten hier so als wäre das bei so ziemlich jeder Trans-Frau mal vorgekommen.
Bei mir war es z.b. so das ich in Hamburg gewohnt habe und statt zur Lehre zu erscheinen lieber mit anderen "runtergekommen typen" über den Kiez gelaufen bin und mich betrunken hab. Assi-Punk "Ich bin scheiße, ja und, wenigstens hab ich Alk."
Das ich dort nicht hängen geblieben bin und stattdessen jetzt zu mir gefunden habe war ein riesen Glück, hätte wohl auch schief gehen können...

Zum Thema Sexuelle Ausrichtung vs. Sexuelle Identität hatte Gollum ja sehr gut geschrieben, ich wollte nur eben meine Erfahrung noch anbringen:
Ich habe mich halt lange zeit gewundert warum es mit Frauen einfach nie funktioniert hat, ich sei einfach nur schlecht im Bett (wurde mir so gesagt) und mir fiel das alles auch eher schwer auf die reihe zu bekommen.
Als mich das Schicksal dann zu meinem Freund führte und auf einmal alles stimmig war zwischenmenschlich, dachte ich "das isses, Frauen sind nix für dich du bist halt schwul..."
Als ich dann endlich merkte das ich selber eine Frau bin, wurde mir auf einmal alles klar...
Natürlich kann eine Hetero Frau nichts mit einer anderen Frau sonderlich anfangen, auch wenn sie in einem Männerkörper steckt, ist ja schließlich viel viel Kopfsache im Bett...


Was Psychologen an geht kann ich in Berlin Dr. Philipps in der Erkstr.3 Neukölln empfehlen, die hat (wohl noch) recht kurze Wartezeiten und ich bin mit ihr super zufrieden... ...wie man mit den Doc's klar kommt hängt aber auch stark von einem selber ab, deswegen gibts ja immer die 5 Probatorischen Sitzungen zum Ausprobieren und schauen ob man miteinander klar kommt.



Liebe Grüße
-Miri
Juni 2015 - Ich bin mir sicher "ich bin eine Frau!"
30.07.15 - Ich heiße jetzt Miriam (noch nicht offiziell :S)
10.08.15 - Erste Sprechstunde Dr. Freitag Magdeburg (Gynokolgie)
10.12.15 - Erste Sprechstunde Dr. Philipps Berlin (Psychotherapie)

Offline MarleneW

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Re: Komplexitäten aus Sicht des Vaters
« Antwort #9 am: 22.Jan 2016, 01:22 »
Hallo Bengabor,

ich finde es echt toll wie du als Vater dir deine Gedanken machst.

Ich kann euer Kind schon verstehen... Bei mir war es ähnlich. Ich war ebenso in einer Betreuung, 2 Jahre - bis ich ganz vorsichtig auf dem Punkt kam. Solange stand ich an der Schwelle dies zu erzählen, habe mich aber so tief geschämt. So tief. Währenddessen habe ich halt andere Themen, die mich belasteten, vorgezogen. Meine Eltern hatten schließlich davon erst erfahren als ich 20 war, als ich bereits ausgezogen war. Insofern finde ich es echt mutig, weil man so den Eltern nicht entkommen kann - sollten diese es alles andere als toll finden. Diese können genauso gut die Hölle sein mit Umerziehungsversuchen etc.

Die Transistion anzugehen, mal zuzugeben, ist am Anfang nicht nur eine Befreiung viel mehr Zerstörung von fast allem was ist und sein könnte. Was man hat ist alles andere als gut - aber sicher. Die ganze Unsicherheit wegen der Freunde, der Eltern, gemobbt zu werden, später womöglich arbeitslos zu sein, "Trümmertransenartig" auszusehen - überhaupt nicht ans Ziel zu kommen den Körper zu verändern, der Alltagstest... Am Anfang hat man so ziemlich gar nichts. Keine Sicherheit ... Mich wundert es gar nicht, wenn jemand bis um Schluss das Beste gibt dieses Geheimnis verborgen zu halten.

Vielleicht tragen eine Gedanken ja etwas dazu bei zu helfen :)

Lg, Marlene
"...
Wer weiss schon, was der Morgen bringt
was kommt, was geht, was bleibt
Wer weiss schon, ob der Wind noch singt
was dir die Zukunft zeigt" von rainbow"

Offline Bengabor

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Re: Komplexitäten aus Sicht des Vaters
« Antwort #10 am: 22.Jan 2016, 08:28 »
Gunte Morgen und wiederum ein großes Dankeschön an alle.
Euer eingehen auf mich und die immer sehr konkrete Bezugnahme ist toll.

Ihr helft sehr viel, ich kann nicht auf alles oder alle Bezug nehmen, das würde den Rahmen des öffentlichen Forums hier wohl sprengen.

Sehr bemerkenswert für mich ist (u.a.) der Hinweis von Marlene:
... am Anfang nicht nur eine Befreiung viel mehr Zerstörung von fast allem was ist und sein könnte. Was man hat ist alles andere als gut - aber sicher. Die ganze Unsicherheit wegen der Freunde, der Eltern, gemobbt zu werden, später womöglich arbeitslos zu sein, "Trümmertransenartig" auszusehen - überhaupt nicht ans Ziel zu kommen den Körper zu verändern, der Alltagstest... Am Anfang hat man so ziemlich gar nichts. Keine Sicherheit ...
Keine Befreiung, sondern ein Trümmerhaufen ... - genau so kam es von unserem Kind rüber im Gepsräch, zum Teil mit praktisch genau den Hinweisen/Themen wie hier von Dir, Marlene, geschrieben.

Ich möchte mal aus der Sicht von mir als Vater, dies noch verstärken:
Natürlich sieht man die Schwierigkeiten des Kindes, wei es heranwächst und aneckt, Probleme hat usw. Darüber habe ich in meinem anfänglichen Beitrag schon geschrieben. Als Eltern hofft man, dass mit dem heranwachsen, dem alter werden, sich die Dinge Regeln, Sohn/Tochter glücklich (und für sich erfolgreich) wird.
Und dann kommt dieser Moment, dieses Outing und da wird einem buchstäblich der Teppich unter den Füssen weggezogen. Anstatt dass sich die Dinge für unser Kind erleichtern, sthet man wie vor einem Scherbenhaufen und weiß: "Autsch - das wird jetzt heftig und nichts ist mehr klar".

Als Eltern kommt man also in die verrückte Situation, dass genau in diesem Moment, wo unser Kind sich öffnet, erklärt und an uns wendet, wir selber nicht gleich den sicheren Halt und Hafen bieten können, sondern zuerst mal uns selber wieder finden müssen.
Wir sind als Eltern selber umgehauen und müssen eigentlich zu allererst mal uns selber wieder kitten, um überhaupt die Kraft und Energie aufzubringen, unser Kind auf dem Weg, den Scherbenhaufen zu sortieren und das Gefäß in neuem, schönen und positiven Glanz auferstehen zu lassen, helfend begleiten zu können.

Die Wurzel der Problematik ist in dem Sinne, dass man als Eltern gar  nicht richtig funktionieren kann, wie man dies von Eltern zu erwarten hätte. Und ich glaube, das ist für mich als Vater und für die betroffene Mutter im Moment der größte Frust.

Es ist auch wirklich so: Auch als homosexueller Vater kann man hier kaum besser beistehen, als wie ein Heterosexueller. Es ist am Ende wieder etwas total anderes, berührt total andere Punkte und Drehangeln des Soziallebens. Der Unterschied ist aber trotzdem, dass ich als Gay, doch wesentlich offener bin für das "andere", nicht normative oder allgemeingültige Sein wie von der Mehrheitsgesellschaft definiert.
Erlaube mir, auch Deine (hm ... z.T. heftige) Kritik an der LGBT-Gemeinde zu schwächen: doch, nach meiner Erfahrung in der LGBT-Gemeinde/Szene in der ich mich bewege, sind TS durchaus ein fester Bestandteil und auch anerkannt. Das ist auch richtig und gut so,v.a. die LGB sind was Gesellschaft und Politik angeht wohl objektiv den TS am nächsten. Aber auch für die LGB trifft zu, dass nicht jeder gleich gut mit TS umgehen kann, psychisch, seelisch und auch sexuell.
Ich sage da ganz ehrlich und offen über mich selber, dass ich bei TS-Bekanntschaften, die mit mir physischen Kontakt haben wolten (ok, ok: ja, Sex ...), jeweils nicht konnte und wollte. Ging einfach nicht für mich ...

Das mich das Thema TS nun ganz anders und heftig über mein egens Kind "einholt", ist für mich schon ein Hammer ... - und ich habe es als Gay Mann damit sicher nicht einfacher ...

Schönen Tag an alle, und nochmals herzlichen Dank für die ausführlichen Beiträge für mich,

Beng.
"La terre est bleue comme une orange"  (Paul Eluard)

Offline Cry

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Re: Komplexitäten aus Sicht des Vaters
« Antwort #11 am: 22.Jan 2016, 12:46 »
Wieder ist man von Gollums Worten sehr bewegt. Deine Formulierungen und Erklärungen sind großartig. Du solltest, nein du müsstest ein Buch schreiben.


Offline Biancaonair

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Re: Komplexitäten aus Sicht des Vaters
« Antwort #13 am: 23.Jan 2016, 02:51 »
Den ersten Teil von Gollums Post (evtl. ein Auszug aus ihrem späteren Buch? :)) hätte ich auch schreiben können. Deckt sich genau wie bei mir. Ich habe, muss so 2001 gewesen sein, damit angefangen, wenn das Haus menschenleer ist, mich so zu kleiden wie ich wollte, mir die coolen schwarzen Stiefel von Mum angezogen (die einzigen die sie hatte, leider), Rock in lila oder schwarz und mal hier und da Make-up ins Gesicht. Und wie gerne trug ich diese Pumps und Strumpfhosen? Und BHs stopfte ich immer mit Tempos aus, die ich vorher eigens dafür zu zwei Bällchen geformt habe. Wo sind nur die ganzen Tempos geblieben? :) Dann zog ich einen BH an von Mum und tollte im Haus herum und fühlte mich als Frau, aber absolut, und poste auch mal und träumte einen Freund neben mir zu haben. Habe auch noch paar Bilder davon. Wenn dann jemand irgendwann heimkam und fröhlich Hallo rief verschwand ich blitzartig im Badezimmer und zog alles aus und setzte alkes zurück in den Schrank. Danach ging ich runter und tat so als wäre nichts gewesen. Dachte dann aber "Wenn du wüsstest..." Alles absolut heimlich also, auch nachts hab ich BH getragen und Body manchmal und meine Mum fragte sich so 3-4mal wo denn verflixt nochmal ihre Sachen seien. Kam dann rel. schnell auf mich denn Paps? ne der wars bestimmt nicht und mein Bruder? Wieso? Aber da sie wusste dass ich immer schon anders war dachte sie an mich. Sie fragte dann warum ich das mache aber ich redete mich immer raus. Konnte es selbst nicht genau sagen, obwohl ich wusste dass ich nie ein Junge jedenfalls sein WOLLTE.

Das mit dem Unterwäsche nachts tragen machte ich um die 400x und ich schaffte es immer es rechteitig wieder zurückzulegen dass nichts bemerkt wird. Schon komisch. Doch irgendwann einige Jahre später sprach meine Mum direkt mit mir darüber und sagte sie findest das blld und komisch. Ich soll es gefälligst lassen. Ich habs aber trotzdem noch paarmal gemacht, bis sie sie irgendwohin versteckte weil sie es halt nicht wollte. Aber einen schwarzen BH stibitzte ich ihr und sie fragte auch nicht mehr danach und den trug ich weiterhin. Wenn ich Jacke anhatte bei Ausflügen und sicher war sie nicht auszuziehen auch tat ich es auch in der Öffentlichkeit. Auch während meines FSJs im Heim trug ich oft "meine echte" Unterwäsche und manchmal n Body.

Ich fühlte mich absolut gut damit und ich war fröhlicher, selbstbewusster und dachte "so, hey, jetzt bin ich was!" Auch früher in der neunten Klasse hab ich während der Schule schon Mums Unterhemden getragen, wenn der bllde und total ungerechte Sportunterricht anstand natürlich nicht. Da trug ich das andere Zeug und dachte immer wieder "hä? was soll das jetzt? warum trag ich das?"

Gemobbt und ausgegrenzt...wurde ich übrigens auch. Die Jungs fanden mich eh immer blöd, kömisch, als Schwächling und Mädel und das ging bis zur neunten Klasse so. Mit mir waren es aber auch eh nur sechs Stück, sonst war die Klasse voller Mädels. Wie gern hätte ich damals zu ihnen dazugehört und auch mal ohne dass sich jemand wundert über Jungs gelabert und gekichert obwohl ich angeblich selbst einer war. Die Mädels fanden mich zwar auch eher komisch, doch sie störte eher, dass ich meist wirtksrg war und nichts erzählen konnte und so. Aber wenn ich mit jemandem rel. gut klar kam, auch bei Gruppenarbeiten, war es ein Mädchen.
Leider wurde außer einen kurzen Kumpelschaft nie wirklich eine Freundschaft daraus und so blieb ich mittags zuhause alleine. Und ließ mich von Daddy zum Teil zerstören, als er mich beim Hausaufgaben machen sah und mich wieder kritisierte und sagte "du lernst es nie", "tut mir Leid, aber wie soll aus Dir mal was werden?" usw. Ja, das war schlimm.

Hätte ich dem irgendwas je erzählen können, dass ich übel unzufrieden mit dem Teil zwischen den Beinen bin und kein Plan hab, was ich damit soll und dass ich glaube nicht sein Sohn zu sein? Boah ne, der hätte es auch damals nicht verstanden. Zum Vergleich: Meine Mum weiß von meinem Problem nun schon seit ca. 2009, da sprachen wir mal kurz drüber, aber ich meinte noch, GAOP gibts zwar, traue ich mich aber nicht, werde ich nicht machen (damals),
mein Dad weiß erst seit Anfang letzten Jahres 100% über alles Bescheid, meine Mum hats ihm gesagt und er soll extrem verdutzt gewesen sein.
Aber man merkt die Zeitspanne dazwischen. Ganze sechs Jahre, da ich nie mit ihm darüber reden konnte. Bei meiner hatte ich ein besseres Gefühl und das bestätigte sich ja dann auch.

Aber Gollum hat schon Recht: ein klares nein würde ich auch nicht sagen. Denn ich gab (meist nicht wirklich mit Absicht) meinen Eltern immer Indizien, dass sie was hätten merken müssen. Ich fand auch im TV oft bei Shows z. B. die Tänzerinnen hübsch und sagte dass auch und noch paar Sachen mehr...aber ich glaube meine Mum fand mich halt immer einfach "anders" und fertig. Aber Benga: Ich finds echt spitzenmäßig, wie dich um dein liebes Kind sorgst, dir Gedanken machst und dir hier Hilfe holst. Denn machen das alle Eltern? Nein. Früher nicht und heute nicht, leider!! Aber du bist besser als einige, das ist brilliant! Mach es besser als mein Vater machte!

lg bianca  :wink2:

PS: Wow, echt hammer wieviel hier in dem Thread schon geschrieben wurde, da bekomm ich fast nen Drehwurm... :)
Allmählich kommt es ins Rollen...♡

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Offline Bengabor

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Re: Komplexitäten aus Sicht des Vaters
« Antwort #14 am: 23.Jan 2016, 10:42 »
Die ausführlichen und reflektierten Beiträge auf meine Unsicherheiten hier sind echt Spitze. Nochmalig mein Dank hierfür.

Ich werfe als Elternteil nochmals einen weiteren Apekt in die Runde:

Was von Euch gelobt wird an mir, dass ich als Vater mich ernsthaft auseinandersetze und meinem Kind zur Seite stehen will, sehe ich selber nicht als wahnsinnig außerordentlich. Alles in allem sind wir im 2016, ich bin ja nicht ein Kind des 19. Jhts. und selber in der 2. Hälfte des 20. Jhts. in westlichen Metropolen aufgewachsen und lebend, aus- und gebildet. Also Teil einer liberal offenen Gesellschaft mit ihren Errungenschaften (und ab und an auch mit ihren Nachteilen ..).

Das unser Kind seinen ganzen Mut und die Kräfte aufwenden musste, sich uns den Eltern anzuvertrauen, ist das Eine. - Nun, wir haben aber auch noch einen Schritt vor uns, die Mutter und der Vater:
Wie sagen wir es unseren Müttern, den Großmüttern? (Die Väter/Großväter sind schon gestorben ...) - "Hi Mom, dein Enkel ist jetzt übrigens ne Enkelin ...."   ....

Zu Deutsch: wir als Eltern haben unsererseits auch Eltern, mit denen wir nun das Gespräch führen müssen. Und das ist schon nicht mehr so einfach. Unsere Mütter sind definitiv eine ältere Generation. Meine Homosexualität haben meine Eltern irgendwie noch "hinbekommen", war sehr schwierig am Anfang, mit meiner Mutter und Ex-Schwiegermutter geht das aber heute sehr sehr gut und super, mein Lebenspartner ist akkzeptier und integriert.

Nur, blieben eben mehrere Dinge sehr elreichternd für diese ältere Generation:
ich blieb immer Mann, ich bin Vater eines Enkels (habe also brav meine "Pflicht" erfüllt *g*), habe beruflich große Karriere gemacht und hielt mich weitgehendst an sogenannte gesellschaftliche Normen. Also so weit gegen außen alles ok, v.a. auch weil natürlich homosexualität allgemein in den letzten Jahrzehnten eine andere Akkzeptanz erfahren hat und auch andere Kinder von Freunden unserer Eltern sich als Gay geoutet haben. Also waren unsere Eltern gesellschaftlich irgendwie mitgetragen durch eine allgemeine Entwicklung.

Aber hier, beim Trans-Enkel stellt sich die Frage neu und unweigerlich ist klar, dass unsere Mütter uns Eltern in die Haftung und Pflicht nehmen werden. Wir als Eltern müssen uns aller Voraussicht nicht nur als Schutzschild vor unser Kind gegenüber den Größmüttern stellen, sondern uns auch noch selbst erklären, wie und was und warum und überhaupt wir als Eltern funktionierten oder nicht funktionierten, gemacht opder nicht gemacht haben.

Kurzum: ich werfe hier in den Ring, dass nicht nur das Trans-Kind mit der Frage seines outings konfrontiert ist, sondern auch die Eltern gegenüber wiederum ihren Eltern ... - Hallelujah  :-) 
(und auf gut Englisch: "never a doll moment life").

Mit dem besten Gruß zum Wochenende,

Beng

"La terre est bleue comme une orange"  (Paul Eluard)