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Neurointersexualität - Lisa Klapp

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„Grotesk - die Politik gibt sich fortschrittlich, wir erleben herben Rückschlag“

Am 23.08.23 veröffentlichte der Fokus ein Interview mit Lisa Klapp:

Das am Mittwoch im Bundestag beschlossene Selbstbestimmungsrecht soll die Würde von Trans-Menschen stärken. Transfrau Lisa Klapp (58), selbständig im Einzelhandel, befürchtet, dass das Gegenteil geschieht und sagt: „Es macht keinen Sinn, die Gesellschaft im übertriebenen Maß zu nerven.“

FOCUS online: Nach langen Debatten hat sich die Bundesregierung nun auf ein Selbstbestimmungsgesetz geeinigt. Künftig soll man den Vornamen und das Geschlecht durch einen einfachen Antrag beim Standesamt ändern können. Sie sind 2014 von Peter zu Lisa geworden. Was ging diesem Schritt voran?

Lisa Klapp: Ich musste zwei voneinander unabhängige, psychologische Gutachten vorlegen und nachweisen, dass ich eine Therapie gemacht hatte. Anderthalb Jahre, das war das Minimum.

Mit dem aktuellen Gesetz wäre Ihnen also einiges erspart geblieben…

Klapp: Das sehe ich anders. Rückblickend bin ich froh um den Weg, den ich gehen musste. Die Novellierung des Transsexuellen-Gesetzes geht für mich in eine verkehrte Richtung.

Wieso das?

Klapp: Wer wie ich im Körper eines Mannes geboren ist, sich aber schon als Kind nicht wohlgefühlt hat damit, sehnt sich nach Eindeutigkeit. Wenn es für die Änderung des Geschlechts nun ausreicht, den Wunsch mal eben einem Standesbeamten gegenüber glaubhaft zu machen, dann geht genau das verloren: Eindeutigkeit.

„Munter zwischen Geschlechtern hin und her springen“

Zumal man die Entscheidung ja wieder zurücknehmen kann. Mehr noch: Einmal im Jahr soll künftig eine entsprechende Änderung qua Gang aufs Amt möglich sein. Mich macht das fassungslos. Es kann doch nicht sein, dass von nun an munter zwischen den Geschlechtern hin und her gesprungen wird!

Was genau stört Sie daran, dass die Wahl des Geschlechts den Menschen von nun an leichter gemacht wird?

 

Klapp: Der Diskriminierung ist damit Tür und Tor geöffnet. Früher hätte ich mich auf den Eintrag in meinem Personalausweis berufen können, wenn jemand meine Geschlechtszugehörigkeit in Frage gestellt hätte. Jetzt wird in bestimmten Lebensbereichen plötzlich das Hausrecht wichtig. In geschützten Bereichen wie der Damensauna etwa, in die ich gerne mit einer Freundin gehe. Nicht auszudenken, ich könnte da künftig an der Kasse abgewiesen werden.

Zukünftig mehr Unisex-Toiletten: „Was soll das?“

Aber das wird dank des neuen Gesetzes leider möglich sein. Ich habe mir den Entwurf durchgelesen. Es gibt da jetzt ganz klar eine veränderte Prioritätensetzung. Das zeigt übrigens auch, dass es landauf, landab künftig mehr Unisex-Toiletten geben soll. Was soll das? Das schafft doch alles nur eine riesige Verwirrung. Das Gegenteil dessen, was Menschen wie ich brauchen.

Was brauchen Transmenschen?

 

Klapp: Nochmal, wer eine transidentische Störung hat, hat eine große Sehnsucht. Er will endlich richtig sein, will endlich Klarheit. Lisa zu werden, das war eine Grundsatzentscheidung, die Entscheidung meines Lebens. Selbstredend, dass dem Ganzen eine große Ernsthaftigkeit zu Grunde lag.

Ich bezweifle, dass die gegeben ist, wenn eine Transition künftig in wenigen Minuten abgehandelt werden kann. Es stimmt, auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde es den Betroffenen damit leichter gemacht. Tatsächlich bekommt der Übergang aber etwas Beliebiges. Und Beliebigkeit ist beim Festigen von Identitäten kein guter Ratgeber.

Die Therapie hat Lisa vor einer Enttäuschung bewahrt

Was dann? Was hat Ihnen beim Festigen Ihrer Identität geholfen?

 

Klapp: Dass meine Therapeutin mich schon früh vergleichsweise drastisch mit der Realität konfrontiert hat. Sie wollte mich schlichtweg auf das vorbereiten, was kam. Alles andere als ein softer Übergang, als ein kurzer Switch nämlich.

Ich weiß noch, wie die Therapeutin mich dazu aufgefordert hat, mir vorzustellen, was für eine Frau ich sein würde, wenn ich mit allen Maßnahmen wie Einnahme von Hormonen, Kehlkopfabflachung und schließlich geschlechtsangleichende OP durch wäre. Wen sehen Sie vor sich? hat sie mich gefragt.

Und? Wen sahen Sie?

 

Klapp: Die Frisur war tatsächlich so ähnlich wie die, die ich heute trage. Rote Haare, Pagenschnitt. Die Gesichtszüge stellte ich mir fein vor, die Stimme war weiblich. Die Therapeutin hörte mir geduldig zu. Dann meinte sie: Das vergessen Sie jetzt mal alles. Das werden Sie so nie erreichen. Sie hatte Recht.

Was sollte die Übung bewirken?

Klapp: Mich vor einer schlimmen Enttäuschung bewahren. Wie wohl die meisten Trans-Menschen war ich der Illusion aufgesessen, zu 100 % das neue Geschlecht sein zu können. Aber das geht nicht. Es bleibt immer was zurück.

 

Meine Erfahrung: Es braucht Zeit, um das zu verstehen. Die bislang vorgesehenen anderthalb Jahre Therapie sind ein guter Wert. Und auch, dass man währenddessen nicht auf sich allein gestellt ist, sondern Begleitung hat, ist eine gute Idee.

„Ist jetzt eine Sache von Stempel und Unterschrift“

Wurden die Kosten für Ihre Therapie eigentlich übernommen?

Klapp: Anstandslos, ja. Guter Punkt: Wenn Identitäten im jährlichen Rhythmus gewechselt werden können, könnte das wegfallen. Im Moment finde ich dazu keine klaren Informationen im Gesetz. Ich fürchte aber: Im Zweifel haben die Geldgeber die Argumente künftig auf ihrer Seite.

 

Der Entschluss ist ja ratz-fatz gefallen, er ist jetzt eine Sache von Stempel und Unterschrift. Wo es ein Leichtes sein soll, heute Mann und morgen Frau zu sein, könnte der Ball an Betroffene, die sich therapeutische Unterstützung wünschen, zurückgespielt werden: Jetzt stellt euch nicht so an.

Dass Transmenschen sich bei wegfallender Begleitung alleingelassen fühlen könnten und das ein mögliches Minus der Liberalisierung wäre, leuchtet ein. Ganz generell zielt das Gesetz allerdings auf mehr gesellschaftliche Anerkennung. Haben Sie unter dem Aspekt Verständnis für die Novellierung?

Klapp: Nein. Auch und gerade hier erweist das neue Selbstbestimmungsrecht den Betroffenen einen Bärendienst. Schauen Sie, als aus Peter damals Lisa wurde, war das Umfeld zutiefst verunsichert. Eine Voraussetzung für die Transition war damals ja noch, ein Jahr lang gegengeschlechtlich gekleidet zu sein. Heißt: Ich musste öffentlich als Frau auftreten.

 

Was sagen die Nachbarn? Im vergleichsweise dicht bebauten Siedlungsviertel, in dem meine Frau Tina und ich leben, war das ein ziemliches Thema. Ich wollte nicht, dass die Leute weiter hintenrum reden.

Also habe ich mir einen Ruck gegeben und die Nachbarn angeschrieben. Jeder bekam ein paar individuell verfasste Zeilen, in denen ich meine Situation erklärte.

Wie kam das an?

Klapp: Die Reaktionen waren fast ausnahmslos positiv. „Respekt“, „ schöner Brief“ - sowas. Ich glaube, die Leute haben gespürt, dass ich es mir nicht leicht gemacht habe. Stichwort Ernsthaftigkeit, wie gesagt.

Und genau das meine ich: Jetzt, wo es Trans-Menschen vermeintlich leicht haben, werden sie sich die gesellschaftliche Akzeptanz viel härter erkämpfen müssen. Als die Briefe damals raus waren, ging das Leben ganz normal weiter. Hier ein nachbarschaftlicher Plausch, da eine Einladung zu einer Feier.

Wird das auch so sein, wenn das Umfeld davon ausgehen muss, dass heute Hinz und morgen Kunz mit im Aufzug steht oder am Kaffeetisch sitzt? Ist Misstrauen damit nicht programmiert?

 

„Ein Zug auf den man aufspringen will“

Teilweise vielleicht sogar berechtigtes Misstrauen? Manche halten Trans für eine Modeerscheinung. Was sagen Sie?

Klapp: Bei Betroffenen im Altersstand zwischen 40 und 60 Jahren dürfte die Ernsthaftigkeit in den allermeisten Fällen gegeben sein, denke ich. Aber bei den jungen Menschen bin ich mir da ehrlich gesagt nicht so sicher. Trans gilt zwischenzeitlich als schick. Ein Zug, auf den man aufspringen will.

Ein Großteil der jungen Leute, die glauben, trans zu sein, ist weiblich. Zufall?

 

Klapp: Ich bezweifele das. Wir geben uns als Gesellschaft ja gern modern und emanzipiert, tun so, als sei für Frauen wie Männer heute alles möglich. Mein Eindruck ist aber, dass beide Geschlechter darunter leiden, dass die Rollenverteilung so uneindeutig ist.

Man schiebt sich Verantwortlichkeiten zu, am Ende macht einer oft alles und das ist in der Regel die Frau. Aus eigener Erfahrung – eine Zeitlang bin ich zu Hause geblieben und Tina war von früh bis spät beruflich unterwegs – kenne ich das Thema Hausarbeit und fehlende Wertschätzung.

Es ist traurig, wenn junge Menschen glauben, die Transidentität könnte ein Ausweg sein. Die Wahrheit ist: Ist der Weg einschlagen, geht es erst richtig los. Bei mir jedenfalls war das so. Mit vielem, was auf Lisa zukam, hatte Peter nicht gerechnet.

Was war überraschend für Sie, als Sie die Männerrolle verließen und eine Frau wurden?

Klapp: Als Mann war ich es gewohnt gewesen, in Hierarchien zu denken. Möglich, dass mein Job als Soldat bei der Bundeswehr das noch befördert hat.

Als Frau habe ich mich dann plötzlich in einer völlig neuen Art zu kommunizieren wiedergefunden. Komplexer, vernetzter. Ich musste das richtiggehend lernen!

Was ich damit sagen will: Es ist nicht einfach, sein Geschlecht zu wechseln. Hinter mir liegt ein langer, teils sehr schmerzhafter Weg. Ein Weg, der sämtliche Lebensbereich tangiert hat.

Böse Zungen könnten sagen, Sie gönnen es den Jüngeren nicht, wenn sie es heute vergleichsweise leicht haben.

Klapp: Blödsinn. Ich mache mir einfach Sorgen. Die Zahl der Menschen, die sich für trans halten, ist in der westlichen Welt innerhalb weniger Jahre sprunghaft gestiegen. Ich finde es gefährlich, wenn dieser Schritt zu schnell und unhinterfragt geschieht.

„Das neue Gesetz führt nicht zu mehr Toleranz“

Klingt so, als würden Ihre Gedanken in Sachen Selbstbestimmungsgesetz im Moment vor allem um andere kreisen. Oder täuscht das?

Klapp: Die veränderte Sachlage betrifft durchaus auch mich selbst. Wenn ich in den sozialen Netzwerken Kommentare lese wie „dieses Jahr Frau, nächstes Jahr Mann und übernächstes Jahr Hund“, verletzt mich das. Gefühlt häuft sich sowas gerade.

Das neue Gesetz führt offenkundig nicht zu mehr Toleranz und Akzeptanz. Im Gegenteil. Es irritiert, verunsichert, überfordert. Als wären die Leute beim Thema Geschlechteridentität nicht sowieso schon völlig übersättigt.

Was meinen Sie?

Klapp: Mal ehrlich: Was hat eine Transfahne am Eingang des Außenministeriums zu suchen? Das ist eine Fahne, die zu bestimmten Anlässen gehisst und danach wieder eingerollt wird. Punkt.

Es macht keinen Sinn, die Gesellschaft im übertriebenen Maß zu nerven. In der Folge wenden die Leute sich ab, anstatt zuzuhören. So weit sind wir inzwischen, leider.

Das ist ja das Groteske an diesem neuen Selbstbestimmungsgesetz: Die Politik gibt sich fortschrittlich. Was wir Betroffenen erleben, ist aber ein herber Rückschlag.

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Letzte Bearbeitung: 10.02.2024, 21:08

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07.06.25: Komplettes SBGG und weitere Erklärungen online

Wir haben keinerlei Anstrengungen gescheut und das komplette SBGG mit seinen insgesamt 13 Artikeln (nicht nur Artikel 1 der von Google leicht gefunden wird) suchmaschinentauglich online gestellt, in der Hoffnung, daß Google auch den wichtigen Artikel 4 des SBGG findet und auflistet.

 

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18.07.23: Jetzt mit SSL-Zertifikat


Neurointersexualität / Neurointersexuelle Körperdiskrepanz (NIBD)
Eine Zusatz-Bezeichnung, die gerne von manchen originär transsexuellen Menschen benutzt wird, um sich von der inflationären Benutzung des Begriffes "Transsexualität", welche durch die genderorientierte Trans*-Community, aber auch durch die Medien getätigt wird, abzugrenzen. NIBD-Betroffene wollen einfach nicht mit anderen Phänomenlagen, die entweder nur ein Lifestyle, Rollenproblem oder sexueller Fetisch sind, verwechselt und/oder in einen Topf geworfen werden. Die Bezeichnung NIBD bezieht sich auf die wissenschaftliche Arbeit von Dr. Haupt.

 


Neurointersexuality / Neurointersexual Body Discrepancy (NIBD)
An additional term which is often used by originally transsexual people to differentiate themselves from the inflationary use of the term "transsexuality" by the gender-oriented trans* community, but also by the media. NIBD patients simply do not want to be confused and/or lumped together with other phenomena that are either just a lifestyle, role problem or sexual fetish. The term NIBD refers to the scientific work of Dr. Haupt.

 

 

 

 


Transgender - Transidentität
Transgender hadern hauptsächlich mit der sozialen Geschlechterrolle (gender), die ihnen seitens der Gesellschaft und kulturellen Konventionen aufgedrückt wird. Einen körperlichen Leidensdruck, wie ihn originär transsexuelle Menschen (NIBD) verspüren, ist bei ihnen nicht gegeben. Gerne und immer wieder wird, auch von Fachleuten, Transgenderismus mit originärer Transsexualität verwechselt.
Transidente hadern mit ihrer Identität als Mann oder Frau. Dieses Problem ist rein psychisch bedingt, einen körperlichen Leidensdruck, wie ihn originär transsexuelle Menschen (NIBD) verspüren, ist bei ihnen ebenfalls nicht gegeben. Auch hier wird das Phänomen gerne mit originärer Transsexualität verwechselt.

 


Transgender - Transidentity
Transgender people mainly struggle with the social gender role (gender) that is imposed on them by society and cultural conventions. They do not experience the kind of physical distress felt by originally transsexual people (NIBD). Transgenderism is often and repeatedly confused with original transsexuality, even by experts.
Transident people struggle with their identity as a man or a woman. This problem is purely psychological; they do not experience the kind of physical suffering that original transsexual people (NIBD) do. Here too, the phenomenon is often confused with original transsexuality.

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