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Neurointersexualität - Zwischen Coming-Out und VÄ

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Zur Rechtsstellung Transsexueller nach dem Coming-Out bis zur offiziellen Vornamensänderung

- aus einem Referat von Maria Sabine Augstein, Rechtsanwältin auf der Transidentitas-Fachtagung 1995 -


Zur Rechtsstellung Transsexueller nach dem Coming-Out bis zur offiziellen Vornamensänderung

Für eine Vornamensänderung nach § 1 TSG ist eine abgeschlossene Diagnose der Transsexualität notwendig. Die Gutachter sind in der Regel nicht bereit, diese Diagnose zu stellen, wenn die/der Betroffene nicht über einen längeren Zeitraum in ärztlicher bzw. psychotherapeutischer Beobachtung oder Betreuung gestanden hat, und wenn sie/er noch keinen Alltagstest absolviert hat. Die TSG-Verfahren dauern auch immer länger; inzwischen sind 12 Monate absolut normal, auch wenn es sich um einen Routinefall handelt, der in der Begutachtung keine Schwierigkeiten aufwirft. Die Betroffenen müssen daher einen erheblichen Zeitraum ohne entsprechende Papiere in der neuen Identität leben.
  1. Das Auftreten in der neuen Rolle und Identität ist natürlich zulässig!

    Hierbei darf frau/mann auch den neuen Namen verwenden, nicht nur mündlich, sondern auch im Schriftwechsel (privat und mit Behörden!). Auch die Unterschriftsleistung ist rechtsgültig und keine Urkundenfälschung. Eine solche liegt nach der Rechtsprechung nur vor, wenn der „falsche“ Name als Mittel eingesetzt wird, den Vertragspartner um seine Gegenleistung zu bringen.

    Es können daher unter dem neuen Namen Verträge abgeschlossen werden (z. B. Kauf-, Miet- und Versicherungsverträge).

  2. Auch andere Personen und Institutionen (Arbeitgeber, Behörden) dürfen den neuen Namen verwenden. Ich habe z. B. entsprechende Schreiben und Bescheide des Arbeitsamtes, der Krankenkassen und der Rentenversicherung gesehen, die schon vor der gerichtlichen Namensänderung den neuen Vornamen gebrauchten.

    Die Rentenversicherung darf (auch schon vor der gerichtlichen Entscheidung) eine neue Seriennummer erteilen. Der Arbeitgeber und staatliche Institutionen dürfen neue Zeugnisse ausstellen. Es gibt zwar den Straftatbestand der Falschbeurkundung im Amt, der es verbietet, daß eine Behörde etwas inhaltlich falsches beurkundet. Dieser Straftatbestand ist aber nur anwendbar, wenn etwas rechtlich Erhebliches falsch beurkundet wird. Der Vorname und das Geschlecht sind in einem Zeugnis aber nichts rechtlich Erhebliches. Erheblich sind die dokumentierten Leistungen und die Identität zwischen Zeugnisinhaber/in und Erbringer/in der dokumentierten Leistungen.

    Für diesen ganzen Bereich gilt, daß andere Personen und Institutionen den neuen Namen verwenden dürfen, dies aber nicht müssen. Es gibt insoweit keinen vor Gericht durchsetzbaren Rechtsanspruch. Zwei Dinge sind auch bei gutem Willen rechtlich nicht zulässig: neue Ausweispapiere und ein Bankkonto auf den neuen Namen (letzteres aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung im Steuerrecht).

  3. Im Arbeitsrecht besteht auch schon vor der Vornamensänderung ein Rechtsanspruch, die Tätigkeit in der Kleidung des neuen Geschlechtes zu verrichten. Dies ist kein Kündigungsgrund. Das Landesarbeitsgericht Berlin hat die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in einem Grundsatzurteil dazu verurteilt, dem „Kläger“ (einer Mann-zu-Frau-Transsexuellen) weibliche Dienstkleidung als Busfahrerin zur Verfügung zu stellen.

    Es besteht natürlich immer die Gefahr nicht angreifbarer Kündigungen. Frau/Mann sollte natürlich im Guten versuchen, mit dem Arbeitgeber zu einer Einigung bzw., des Rollenwechsels im Betrieb zu kommen. Wenn das aber nicht möglich ist, rate ich unbedingt zu einem Prozeß, zu einer Klage gegen die Kündigung, wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist (der Betrieb muß mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigen, und das Arbeitsverhältnis muß länger als 6 Monate bestand haben). Die gilt auch, wenn ein anderer Kündigungsgrund als die Transsexualität usw. angegeben wird. Der Arbeitgeber muß den Kündigungsgrund vor Gericht beweisen!

  4. Die Krankenkassen dürfen Leistungen nicht von der vorherigen Durchführung des Verfahrens nach § 1 TSG abhängig machen. Dies ändert freilich nichts daran, daß die Diagnose Transsexualität und die medizinische Notwendigkeit durch Gutachten belegt sein müssen. Deshalb ist dieser Weg in der Regel auch im Hinblick auf die Krankenkasse empfehlenswert.

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Letzte Bearbeitung: 11.02.2024, 14:08

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Neurointersexualität / Neurointersexuelle Körperdiskrepanz (NIBD)
Eine Zusatz-Bezeichnung, die gerne von manchen originär transsexuellen Menschen benutzt wird, um sich von der inflationären Benutzung des Begriffes "Transsexualität", welche durch die genderorientierte Trans*-Community, aber auch durch die Medien getätigt wird, abzugrenzen. NIBD-Betroffene wollen einfach nicht mit anderen Phänomenlagen, die entweder nur ein Lifestyle, Rollenproblem oder sexueller Fetisch sind, verwechselt und/oder in einen Topf geworfen werden. Die Bezeichnung NIBD bezieht sich auf die wissenschaftliche Arbeit von Dr. Haupt.

 


Neurointersexuality / Neurointersexual Body Discrepancy (NIBD)
An additional term which is often used by originally transsexual people to differentiate themselves from the inflationary use of the term "transsexuality" by the gender-oriented trans* community, but also by the media. NIBD patients simply do not want to be confused and/or lumped together with other phenomena that are either just a lifestyle, role problem or sexual fetish. The term NIBD refers to the scientific work of Dr. Haupt.

 

 

 

 


Transgender - Transidentität
Transgender hadern hauptsächlich mit der sozialen Geschlechterrolle (gender), die ihnen seitens der Gesellschaft und kulturellen Konventionen aufgedrückt wird. Einen körperlichen Leidensdruck, wie ihn originär transsexuelle Menschen (NIBD) verspüren, ist bei ihnen nicht gegeben. Gerne und immer wieder wird, auch von Fachleuten, Transgenderismus mit originärer Transsexualität verwechselt.
Transidente hadern mit ihrer Identität als Mann oder Frau. Dieses Problem ist rein psychisch bedingt, einen körperlichen Leidensdruck, wie ihn originär transsexuelle Menschen (NIBD) verspüren, ist bei ihnen ebenfalls nicht gegeben. Auch hier wird das Phänomen gerne mit originärer Transsexualität verwechselt.

 


Transgender - Transidentity
Transgender people mainly struggle with the social gender role (gender) that is imposed on them by society and cultural conventions. They do not experience the kind of physical distress felt by originally transsexual people (NIBD). Transgenderism is often and repeatedly confused with original transsexuality, even by experts.
Transident people struggle with their identity as a man or a woman. This problem is purely psychological; they do not experience the kind of physical suffering that original transsexual people (NIBD) do. Here too, the phenomenon is often confused with original transsexuality.

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