Transsexualität-NIBD

Autor Thema: Indikatoren, anzeichen für selbsterkenndnis  (Gelesen 2337 mal)

Offline Leila

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Indikatoren, anzeichen für selbsterkenndnis
« am: 17.Mai 2016, 07:06 »
Hey leute,

Manche kennen mich ja schon. Hoffe der thread ist hier richtig.
Die letzten tage waren für mich nicht ganz so einfach. Meine freundin ist im hausbaustress und mir fehlt dadurch etwas der halt. Und mein hirn fängt an und lässt mich viel an die vergangenheit und die beziehung denken welche jetzt 2 monate her ist.

Das ist auch der grund warum ich hier schreibe. Denn auch kommen gedanken ob ich mir das alles nur einbilde mit dem thema ts.
Ich wollte mal wissen ob es möglich ist hier so ne art zusammenstellung von indikatoren anzulegen wo man schauen kann ob diese auf einen selbst auch zutreffen.

Bei mir ist es wie folgt.
Wenn ihr mich seht, denkt ihr das ich ein typischer deutscher kerl bin. Hetero, normal.
Allerdings ist es eben so, das ich 28 jahre dem sozialen idealbild nachgegangen bin. Frau, arbeit, kleidung, ethik, familie... eben alles wie ein otto-normal kerl.

Das alles sind für mich zweifelsverstärker.

Jetzt zu den dingen, die mich rückblickend geführt haben bis hierhin und auch bis heute zu meinem ersten therapeuten.
- meine mutter wollte immer ein mädchen, war sogar enttäuscht als arzt sagte ich werde ein junge
- also kleinkind wollte ich lange haare haben, lippenstift, lakierte fingernägel und immer eine schürze
- bei spielen wo geschlechterrollen vergeben wurden, war ich immer in der weiblichen rolle (mutter-vater-kind, usw)
- mehr interesse und wissen über den weiblichen körper, inkl komplettes thema sex, als über den eigenen.
- immer wieder der gedanke,.das es nur ein traum ist und ich aufwache und doch ne frau bin
- aktuell sehe ich mich beim sex in der rolle der frau (stellung, reaktionen)


Aber um zurück zum anfang zu kommen. Mein hirn ist im moment so überfordert das ich das gefühl habe es will das thema ts verdrängen. Mit aller kraft. Es ruft immer mehr erinnerungen an die beziehung (5jahre dauernd) mit meiner ex auf, nur um mich zu schwächen. Jeder positiver gedanke an das thema ts wird sofort mit negativen gegengedanken quittiert.
Und so langsam frage ich mich ob ich mir alles nur einbilde und einrede.
Deswegen meine frage an euch, die alles ja auch erlebt haben, ob die o.g. genannten faktoren für ts sprechen oder ehr nicht.

Lg leila

Offline Miri

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Re: Indikatoren, anzeichen für selbsterkenndnis
« Antwort #1 am: 17.Mai 2016, 09:47 »
Hi,

das mit den geschlechtsspezifischen dingen kann oft ein Indikator sein, muss es aber nicht.
Bei mir fallen mir rückblickend auch einige Dinge ein die wohl recht eindeutig wahren, nur in dem moment nicht kappiert wurden.

Ich hab mir zum beispiel zur 10. Klasse Abschlussparty damals ganz offiziell von Mutti einen Rock ausgeliehen und mich als Pipi Langstrumpf verkleidet ^_^
Meine Mitschüler haben sich nichts drauß gemacht, lustige Verkleidung halt, aber ich hab mich darin Pudelwohl gefühlt...

Wirklich gemerkt hab ich (leider) trotz alledem erst ca 10 Jahre und einige gescheiterte Beziehungen später.


Wichtig ist aber: Wenn du zweifel hast ist das völlig normal und auch gut so. Wer einfach so geradeaus durch die Transition rennt ohne mal "pause zu machen und einen Blick über die Schulter zu werfen" kann da halt auch gut mal am Ziel vorbei rennen und merkts dann erst zu spät.

Bei mir entwickelte sich das auch erst so das ich Monate gebraucht habe zu akzeptieren das es so sein _könnte_ nichtmal das es so ist, sondern nur akzeptieren das man das mal ergebnisoffen in erwägung ziehen könnte.
Dann schwankt man halt so immer von einer Richtung in die andere grübelt sich sonstwas zurecht. Aber irgendwann kommt dann die zeit wo einem das Gefühl sagt was sich richtig an fühlt und was nicht.


Liebe Grüße
-Miri
Juni 2015 - Ich bin mir sicher "ich bin eine Frau!"
30.07.15 - Ich heiße jetzt Miriam (noch nicht offiziell :S)
10.08.15 - Erste Sprechstunde Dr. Freitag Magdeburg (Gynokolgie)
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Offline Tilly Anna

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Re: Indikatoren, anzeichen für selbsterkenndnis
« Antwort #2 am: 17.Mai 2016, 12:08 »
Hi Leila,

Indikatoren gibt es schon, du hast ja selbst schon einige aufgezählt. Die sind dann für die Psychologen / Gutachter wichtig.
Aber eine Liste zum Abhaken die dir dann so oder so sagt, kann es nie geben. Dazu sind Menschen viel zu individuell und vielschichtig.

Das macht es auch so schwer das ganze Ausmaß mit dem Verstand zu fassen. Ich konnte das damals nicht, und auch heute nicht.
Die Lösung bestand für mich daraus, sehr genau auf meine Gefühle zu achten und ihnen zu vertrauen. Das hört sich nun im Prinzip einfach an, ist aber gerade für Menschen die Jahrzehnte eine falsche Rolle spielen mussten sehr schwer.
Aber es lässt sich lernen, teste einfach was dir gut tut, wie du dich wohl fühlst, dann musst du keine Angst vor schlimmen Fehlern haben.

Mit liebem Gruß   Tilly Anna
2013 Ein schweres Jahr, mit der Erkenntnis: Ich bin eine Frau

12. 2013  Outing in der Familie
 1. 2014  Erste Schritte in die Öffentlichkeit
 3. 2014  Laserepi  Laserzentrum Dr. Raulin Karlsruhe
 5. 2014  Hormone
 7. 2014  Begleitende Therapie  Dr. Nezold Reutlingen
 4. 2015  Rechtlich Frau  Amtsgericht Stuttgart
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21. 3. 2017  Korrektur Dr. Heß Essen

Offline Mara89

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Re: Indikatoren, anzeichen für selbsterkenndnis
« Antwort #3 am: 17.Mai 2016, 12:45 »
Grundsätzlich muss man für sich selbst entscheiden, ob man eher eine Frau oder ein Mann ist.
Ich habe auch den halbwegs typischen Rollenbild entsprochen, aber das war alles nur Fassade.

Ein Freund meinte mal verstellen vor anderen Menschen ist einfach nur sich selbst sein ist schwer.

Zusätzlich fand ich eine Frage immer schön: Wenn es ein Knopf gebe, der dich zu Frau macht. Würdest du ihn drücken?

Das Einzige mit dem ich seit Tagen mit mir hadere, dass ich angst habe für mich nie eine Frau zu werden und das ich selber von mir denke ich wäre "Fake". ich habe innerhalb einen halben Jahres ein super Passing und lebe komplett als Frau. Jedoch holt mich das Thema in Familie und bei Männern immer wieder ein.

:(

Trotzdem es gibt sicher auch viele Menschen die sind Trans können aber sich damit arrangieren und trotzdem in ihrem falschen Geschlecht weiterleben. Ich konnte es nicht mehr.. :)
05.10.15 Erste Laserbehandlung
28.11.15 Beginn der HRT auf eigene Faust
14.01.16 Erste Therapiesitzung bei meinem Therapeut
23.03.16 Indikation und Hormone auf Kasse
22.04.16 Antrag auf VÄ/PÄ

04.September 2017 GA-OP Suporn

Offline *Sophie*

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Re: Indikatoren, anzeichen für selbsterkenndnis
« Antwort #4 am: 18.Mai 2016, 18:00 »
Hi :)

das ist auch was, was mich durch die Zwangswartezeit grade begleitet, das ich Angst habe nen Fehler zu begehen und mir sozusagen nur einrede TS zu sein, oder nicht TS genug bin um den Weg zu gehen.

Ich bin wohl so ziehmlich dir ähnlich. 27 Jahre hat niemand was gemerkt. Ganz normales Leben, Hetero, Frau, Normalo,... und doch war es im innern so, das ich mir immer gewünscht habe, das doch irgend nen Wunder passiert und ich *plopp* Körperlich Frau bin. Und das ganze schon soweit ich mich zurück erinnern kann. Es gibt noch zich andere Indikationen bei mir, die ich alle durch nen TS-Lebenslauf/Werdegang aufgelistet habe. Dieser Lebenslauf ist so überwältigend eindeutig TS und trotzdem beschleichen mich ab und zu Zweifel. Ich sehe es aber so wie Miri, dass Zweifel dazu gehören und sicher auch gesund sind, um den für sich richtigen Weg zu finden und das ganze nicht blind reinrennnend zu tun.

Was Mara gesagt hat ist auch gut und ich kann das für mich Eindeutig mit JA beantworten, wie siehts bei dir aus?
Zusätzlich fand ich eine Frage immer schön: Wenn es ein Knopf gebe, der dich zu Frau macht. Würdest du ihn drücken?

Ansonsten kann ich da Tilly Anna auch nur zustimmen, dass es zwar indikationen gibt, aber die doch recht verschieden sind, weil es glaube ich soviele Lebenswege und Ausdrucksweisen, wie Menschen gibt und es zwar hier und da einige übereinstimmungen geben mag, aber der Rest eben doch extrem unterschiedlich sein kann.  :-\

Das Problem ist ja auch, selbst wenn du die Selbsterkenntnis schon hattest, dass du es dann auch erstmal akzeptieren musst, für dich. Kann ich nur von mir erzählen, ich habe es eigentlich immer gewusst, dass ich Frau bin, und doch habe ich es verdrängt und nicht Akzeptiert so gut ich konnte. Was sicherlich auch normal ist, wenn man sich die Tragweite dessen und was darauf folgt, vor Augen führt.

Was mir am besten geholfen hat es mehr zu akzeptieren und mir vor Augen zu führen, war wirklich auch der TS-Werdegang, es hat mich Wochen gekostet den fertig zu schreiben, da der ja nicht zu lang werden sollte und trotzdem umfangreich genug (5 DinA4 Seiten in etwas ausführlicheren Stichpunkten) das Wichtigste zu zeigen. Mir kommen jetzt immer noch hier und da verschütt gegangene Erinnerungen hoch, die in dem Bezug stehen. Und wenn man sowas mal fertig hat, dann kann man sich das in ganz harten Zweifelzeiten auch mal vor Augen führen. Außerdem ist sowas ja eh nötig für VÄ/PÄ, also schadt es nix das zu schreiben. :P

Hm, jetzt habe ich einiges geschrieben und hab keinen Plan ob es hilfreich für dich ist, ich hoffe es zumindest, weil ich dir da nachempfinden kann.

LG,
Sophie. :)
Juni/Juli/August 2015: Erstes Outing vor Psychologin und Diagnostik, Ergebnis F64.0, und dann folgend Outing bei Familie
Oktober 2015: Erstgespräch Endokrinologie und Antrag vom Endo zur Kostenübernahme der HRT bei der KK
Dezember 2015: Erste Sitzung IPL
Anfang 2016: Chromosonenuntersuchung
Februar 2016: Erste Absage HRT, weil noch nicht ausreichend Alltagstest
Juli 2016: 2ter Antrag auf Kostenübernahme diesmal Bewilligt
August 2016: Start der HRT
August 2017: Antrag VÄ/PÄ
März/April 2018: VÄ/PÄ durch, nun endlich offiziell Frau und mit meinem Wunschnamen. :)

Offline Leila

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Re: Indikatoren, anzeichen für selbsterkenndnis
« Antwort #5 am: 18.Mai 2016, 19:34 »
Hey,
Danke euch schonmal.

Ich hatte gestern ja den ersten termin mit dem psycho.
Naja danach wurde meine welt in die apokalypse geworfen.

Kurzer stichpunktcheck.

- psycho meint ich soll mir überlegen wie ich mir sicher werden kann
- ich hab jetzt noch mehr zweifel das mein hirn das thema ts nur als schutz gegenüber dem verlust meiner langen liebe benutzt
- jetztige "freundin"(partnerin kann ich noch nicht sagen) gestand mir das sie mit ner vagina nichts anfangen kann und sich nicht sicher ist wie sie es ihrem sohn (jetzt 5 schwangerschaftsmonwt) spaeter erklaeren soll

So jetzt ist es so das meine welt in truemmern liegt. Trauer um 5jahre beziehung welche ich noch nicht (vllt auch nie) verarbeitet habe. Angst (heftigste angst) vorm alleine sein (bin jetzt das erste mal wirklich alleine zuhause).
Jetzt ist meine psyche so kaputt das ich den halben tag am heulen bin. Mental bin ich grade am boden.
Und um das thema nicht komplett zu verfehlen... seit gestern und den eben genannten, ist leila verschwunden. Keinerlei wirkliche gedanken an frau oder mann... einfach nur leere.

Ich denke um weiter über evtl ts oder nicht ts nachdenken zu können muss ich jetzt erst andere baustellen bearbeiten.
Aber vllt kommt hier von jemand der das liest ne antwort die mir das thema ts ersparrt, weil es wirklich nur ausweich-, schutzreaktion meines hirn ist auf die trennung und das allein sein.

Und falls nicht, 4 std psycho hab ich noch und vllt hilft er mir.

Eure ...

Offline eskarina

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Re: Indikatoren, anzeichen für selbsterkenndnis
« Antwort #6 am: 18.Mai 2016, 23:17 »
Jede und jeder von uns ist anders und hat auch andere Erfahrungen gemacht...
Deswegen ist das natürlich sehr schwierig, etwas allgemeingültig zu sagen.

Aber ich versuche mal, hier zusammenzufassen, was mir bei meiner Selbsterkenntnis geholfen hat:

  • zum einen habe ich auch eine seitenlange Liste mit Erlebnissen, Gedanken und Stichpunkten aus der Vergangenheit angelegt, die darauf hindeuten könnten
  • ich habe mir vorgestellt, wo ich in fünf Jahren sein möchte... Möchte ich dann wirklich als Mann leben? Oder wie fühle ich mich, wenn ich dann als Frau lebe?
  • Gespräche, Gespräche, Gespräche
  • Wie sehe ich "andere", vor allem gut aussehende, Frauen an? Nur mit Begehren? Oder nicht viel mehr auch mit einer großen Portion Bewunderung und gar Neid?

Aber was mir am meisten geholfen hat, ist der Satz: "Ich war schon immer eine Frau, nur im falschen Körper".

Am Anfang habe ich diesen Satz noch als "Unfug" abgetan. Aber wenn ich diesen Satz genommen habe und darüber nachgedacht habe, wie ich mich als Kind, im jugendlichen, im erwachsenen Alter... verhalten habe.

Und ich habe für mich festgestellt, dass dieser Satz einfach stimmt. Ich habe eigentlich schon immer wie eine Frau im tiefsten inneren getickt... Da ist alles verdrahtet, wie bei einer Frau...

Das heißt nicht, dass ich nicht auch "typisch" männliche Dinge tun kann... Das sind Klischees... Aber egal was ich tue... ich identifiziere mich dabei als Frau.

Das heißt nicht, dass nicht doch ab und an mal Zweifel da sind, ob ich "es" tun sollte...
Aber die sind meistens von außen beeinflusst... Ängste und trügerische Hoffnungen (z.B. die, dass meine Beziehung dann wieder funktionieren würde, wenn ich "es" lasse...)