Transsexualität-NIBD

Autor Thema: Conchita Wurst  (Gelesen 2537 mal)

Offline triona

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Conchita Wurst
« am: 09.Apr 2014, 01:31 »
Conchita Wurst - eine Kunstfigur von Tom Neuwirt

Interview RTE 18.11.13, auf Englisch, aber auch für Ungeübte sehr gut verständlich, selbst der leichte irische Akzent des Interviewers

[youtube]xMbtsbXvZ6I[/youtube]


Auf dem Roten Stuhl, (Interview) Ich will einen Grammy“, 18.02.14

[youtube]q_BGHudnH8g[/youtube]

Zitat: „Ich könnte das Ganze ja auch ohne den Bart machen.“


TV - 17.09.2013 - ORF1 (AT) - Willkommen Österreich (Show)

[youtube]MjjUyPOS08g[/youtube]

mit Lied „That’s what I am“

Und hier noch des Lied für den kommenden Wettbewerb:
„Rise Like a Phenix“

[youtube]ToqNa0rqUtY[/youtube]

Für meinen Geschmack um Einiges zu schmalzig – hab ich von ihr schon Besseres gehört. Aber die Stimme finde ich trotzdem klasse. Ich würde ihr gönnen, wenn sie den Wettbewerb tatsächlich gewinnen würde.


Sie ist zwar eine ausgeprägte Schau-Persönlichkeit. Und man kann über ihre Schau denken, was man will. Genauso, wie über ihren Auftritt als „Frau mit Bart“ – von dem sie sagt, daß er in dieser auffälligen Form aufgemalt ist. Aber die Stimme ist wirklich gut und überzeugt – als Sängerin und als Frau. Und sie hat in den Interviews einige bemerkenswerte Dinge gesagt, von denen ich einige sehr gut finde.

Sie versteht sich übrigens als beides - oder eben dazwischen. Mit 2 von einander getrennten Seiten der Persönlichkeit - die Kunstfigur im Beruf und das Privatleben. Und sie / er lebt beide Seiten gleichermaßen.


Liebe grüße
triona
« Letzte Änderung: 09.Apr 2014, 01:46 von triona »

Offline Patrick Atréju

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Re: Conchita Wurst
« Antwort #1 am: 09.Apr 2014, 11:11 »
Hallo Triona,

von Frau Wurst (lustiger Name by the way) hatte ich bereits in einem von meinen Schwulenmagazinen gelesen.

Klar, so eine Darstellung polarisiert sicher. Aber egal, sie steht dazu, eine Frau mit Bart zu sein, auch wenn der aufgemalt/aufgeklebt ?? ist.

Das Lied gefällt mir recht gut, hat sowas melodramatisches. Würde irgendwie auch als Titelsong zu einem James Bond-Film passen, finde ich.

Jedenfalls, ein Beitrag zum Song Contest, der durchaus den Sieg verdient hätte.

Mir persönlich gefiel dieser Beitrag auch sehr gut, leider hat es Marie Marie nicht geschafft, für Deutschland antreten zu dürfen.  :sigh:

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=sTS1gwjlnaM[/youtube]




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Conchita Wurst
« Antwort #2 am: 09.Apr 2014, 14:12 »
Ich weiß ja nicht. Mit sowas will ich nicht verwechselt werden. Auch wenn die Gefahr objektiv so nicht existiert, weil mich als TM niemand mit dieser Person in Verbindung bringt, erst recht nicht, wenn man von meiner Vergangenheit nichts weiß, so besteht durchaus die Gefahr, daß ganze wieder mit TS generell in einen Topf zu werfen und genau dagegen wehre ich mich.

Wie bezeichnet sich dieser Mensch denn selber? Als Frau mit Bart, als Transfrau mit Bart oder als etwas dazwischen?

Sorry, ich kann es nicht nachvollziehen, wie Mensch als Frau nen Bart haben will.

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Re: Conchita Wurst
« Antwort #3 am: 09.Apr 2014, 23:13 »
um sich über "trans-sonstwas" lächerlich zu machen (Travestie),

Gegen Travestie habe ich wiederum nichts. Dies ist eine reine Kunstform auf der Bühne, im Alltag jedoch spielen diese Menschen nicht mit Geschlechtergrenzen rum. Georg Preusse (Mary und Gordi) ist im Alltag ein stinknormaler schwuler Kerl. Ich habe noch von keinem Travestiestar gehört, daß er sich als trans-sonstwas bezeichnet, ganz im Gegenteil.

Glaubt ernsthaft irgendwer, dass ein stolzer cis Mann oder eine stolze cis Frau sowas machen würden?

- http://www.rtl.de/cms/news/explosiv/harnaam-ist-eine-frau-mit-bart-397a9-a93b-16-1851726.html

- http://fraumitbart.wordpress.com/about/








Offline Aurora85

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Re: Conchita Wurst
« Antwort #4 am: 10.Apr 2014, 00:17 »
Huhu,

ich finds absolut unästhetisch, um nicht zu sagen furchtbar. Nicht umsonst habe ich viel Frust geschoben und Aufwand getrieben, um das Bartschattenproblem in den Griff zu kriegen (wie damals gesagt: nicht nur fürs Passing).

Conchita Wurst ist lediglich eine Rolle eines Künstlers, der sich vermarkten will. Meines Wissens lebt dieser Künstler privat gewöhnlich als Mann und ist daher angesichts des Faibles für weibliche Kleidung, MakeUp etc. vielleicht als TV anzusehen, aber nicht als mehr. Mit dem Bart schafft er ein auffälliges Alleinstellungsmerkmal, welches aus Vermarktungssicht sehr clever ist. Vielleicht resultierte das ursprünglich sogar aus einem Bartschattenproblem und aus der Not wurde eine Tugend gemacht. Grundsätzlich ist es Travestie, nur halt in der Medienlandschaft, nicht in einem Varieté. Ich denke, dass Tom Neuwirth durch sein Auftreten (der Bart und seine Aussagen in Interviews, wobei ich mir jetzt nicht alles angeschaut habe) schon recht deutlich macht, dass es sich um eine Kunstfigur handelt (und damit die Rolle "Conchita Wurst" auch von trans* abgrenzt, wenn auch nicht explizit).

Ich möchte auch nicht mit Personen verwechselt werden, die Travestie betreiben. Kann Travestie mit trans* verwechselt werden? Mit geistigem Blindflug und Ignoranz kann es das sicherlich. Aber ich sehe für mich nicht das Recht, deswegen Travestie (= alte Kunstform) zu verurteilen. Auf welcher moralischen Grundlage sollte ich das tun?

Ganz unabhängig von der Rolle "Conchita Wurst" denke ich, dass eine Gesellschaft des 21. Jahrhunderts auch mit einer Frau mit Bart umgehen können muss. Wenn man das Ganze mal aus der Sicht der TS betrachtet, die ganz am Anfang ihres Weges stehen, wäre das doch ein großer Vorteil, auch wenn man Eindeutigkeit und damit von vornherein ein gutes Passing anstrebt. Wenn das Stigma wegfällt, nicht geschlechtseindeutig zu sein (in welcher Form auch immer genau), würde das den Anfang wesentlich einfacher machen. Klar würden die Leute weiterhin schauen, denn jede Abweichung von der Norm führt zwangsläufig zu Blicken. Aber damit hätte sich die Sache auch gegessen. Viele hätten die Transition Jahre früher durchgezogen, wenn dieses Stigma nicht wäre.

Sowas kommt dabei raus, wenn "Junge" und "Mädchen" sich nicht einigen können, wer den einen zur Verfügung stehenden Körper kriegen soll.
Für mich stellt sich da die Frage, ob sich "Junge" und "Mädchen" überhaupt zwingend einigen müssen. Sagen wir einmal, dass die Gewichtung zwischen "Junge" und "Mädchen" 40/60 oder gar 50/50 sei. Auf welcher vernünftigen Grundlage soll in diesem Fall eine Einigung in Richtung Eindeutigkeit stattfinden? Trans* ist ein Kontinuum, also gibt es zwangsläufig auch solche Betroffene (Bigender oder wie auch immer man sie nennen mag). Im Regelfall führt sowas aber wohl eher nicht zu Frau mit Bart oder Glööckler, sondern eher zu "gewöhnlichem TV" (mit dem Bestreben, "en femme" dann auch wirklich Passing zu haben) oder "Vollzeit-TV"/TG im ganz engen Sinne wie im Fall Monika Donner.


Liebe Grüße
Isa

Offline selfmademan

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Re: Conchita Wurst
« Antwort #5 am: 10.Apr 2014, 11:41 »
Ist vielleicht nicht ganz klar geworden, was ich sagen will, obwohl es sowas von deutlich da steht, aber vielleicht ist überdeutlich = undeutlich (was mich bei dir wundert

Ja, da war was. Erinnere mich wieder. :-[

Ich rede NICHT von Leuten, die aus irgendeinem Gendefekt, Hormonanomalie, Atavismus, oder sonstwas, auffällig sind und da nun wirklich nichts zu können, genau wie wir für unseren Geburtsdefekt. Ich rede also nicht über cis hetero gebürtig Biofrau mit Bart (obwohl ich mich frage, warum sie das nicht wegmachen lässt, ich als Frau würde), oder über Männer, die aus irgendeinem Grund Körbchen B haben (obwohl ich mich wundere, warum man es dann nicht beheben lässt, ich als Mann würde).

Yep. Hatte ich latent im Hinterkopf. Wobei ich mich Deiner Verwunderung anschließe.

Nochmal die Frage: Wenn in denen rein gar kein "trans" Anteil, und sei es auch nur "trans"vestit schlummern würde, egal wie latent, meinst du, dass die das spielen würden? Und natürlich werden Preusse, Kerkeling und die Anderen NIEMALS öffentlich sagen, dass sie einen Funken weit so ticken. Erstens sind sie entweder vor jeder Selbsterkenntnis (können also nichts sagen), oder sie sind kurz danach und in der Leugnungsphase (werden also nichts sagen und sich durch lügen tarnen, genau wie du und ich anfangs auch). Auch du und ich waren nach außen erst "ganz im Gegenteil" à la "nee bloß nicht, ich?!?! Neeeeein!!!". Außerdem, selbst wenn Erkenntnis schon dämmert, muss man ja erst einmal wissen "ändern oder verstecken" und ein "na vielleicht bin ich ja so" wäre ja wohl sowas von Outing, wie es nie wieder aus den Medien rauszukriegen ist. Und reicht ab und an unter Ausrede Travestie so rumlaufen und Andere verballhornern aus, warum sollte sich da wer in den Medien ans Messer liefern? Wenn man doch auf die Veräppelschiene aufspringen kann und dafür dann sogar noch als cool gilt...

Ich vermute ganz stark, daß, solange jemand "da draußen" nicht mit den Rollen rumspielt so wie TV, TG (TS lasse ich da ganz bewußt mal raus, denn die spielen nicht), daß die Leute dann kein Problem haben, weil sie nicht umdenken müssen und mit den Leuten in gewohnten Schemata umgehen können, nicht unsicher werden. "Der spielt zwar ne Frau auf der Bühne, aber im normalen Leben ist er durch und durch Mann und daher muß ich mich nicht umgewöhnen oder umdenken, also alles im grünen Bereich."

Und natürlich schadet Travestie jeder Transfrau da draußen sehr direkt. Da wird eine Frau gespielt, die aber männlich genug wirken muss, um lächerlich zu sein. Denn die Kundschaft soll ja lachen. Dann kriegen Leute per "bitte lachen" über der Bühne eingetrichtert, dass man über sowas zu lachen hat. Und natürlich wird dann auch über die nächste "Transe" an der Ecke gelacht, obwohl die da psychisch ums Überleben kämpft und wegen genau derselben männlichen körperlichen Altlast auffällt, und 90% haben leider ein Passing-Problem, viele sogar mehr als Travestiestars, obwohl es für die kein Spaß ist sondern Ernst...

Hm, wenn ich mich recht entsinne, Georg Preusse hat als Mary sogar verdammt gutes Passing, zwar etwas überzeichnet so richtig a la Diva und auch alles gemogelt, aber ich glaube fast, wenn er ne "straßentaugliche" Figur entwickelt (a la "Übemädchen"), daß er gar nicht mal mehr groß auffallen würde, sondern in der Masse der Frauen untergehen würde. Sein verstorbener Kollege hingegen hätte nie ein unauffälliges Passing erreicht. Ich habe echt versucht, in der Kunstfigur "Mary" was männliches zu finden, Fehlanzeige. Für Georg Preusse, sagte er selber mal, war es die Herausforderung, die Diva und Showdame Mary so authentisch wie möglich darzustellen, so daß man ihr das Frau-sein auch tatsächlich abnimmt und nicht so ein billiger Verschnitt aus den Varieté-Shows.

Wie viele Leute da draußen wollten schon einen Besen fressen, und KEINER hat es je getan...

Zumindest habe ich mal in einen ebensolchen reingebissen.  ;) Aber ich bin ja auch nicht zurechnungsfähig und habe einen an der Klatsche.  :P  ;)

Offline Patrick Atréju

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Re: Conchita Wurst
« Antwort #6 am: 10.Apr 2014, 14:42 »
Herr je, ich versteh die ganze Aufregung gar nicht.  ???

Jeder hat das Recht, so rumzulaufen, wie er will.
Und wer keine Frau mit Bart sehen will, soll halt wegschauen.

Irgendwann hat es vielleicht auch der letzte Vollpfosten begriffen, dass es nicht nur Mann und Frau gibt, sondern auch was dazwischen.

Ich habe jedenfalls überhaupt kein Problem mit Transvestiten, auch nicht mit solchen, die Travestieshow machen.

Hat alles seine Berechtigung, und auch einen Hintergrund meist.

Und wenn allen Ernstes jemand das alles zusammenschmeißt mit TS, dann weiß ich wenigstens, wen ich vielleicht lieber meiden sollte.




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Offline selfmademan

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Re: Conchita Wurst
« Antwort #7 am: 10.Apr 2014, 16:34 »
Hi zusammen,

Nochmal die Frage: Wenn in denen rein gar kein "trans" Anteil, und sei es auch nur "trans"vestit schlummern würde, egal wie latent, meinst du, dass die das spielen würden? Und natürlich werden Preusse, Kerkeling und die Anderen NIEMALS öffentlich sagen, dass sie einen Funken weit so ticken.

hab jetzt mal nachgedacht. Ich bin auch schon oft in verschiedene Rollen geschlüpft ohne mich als solches zu empfinden. Was ich z.B. nicht bin obwohl ich mich mal als solches verkleidet habe: Ich empfinde mich nicht als Elvis Presley, Michael Jackson, Bibi Blocksberg, Indianer, rosafarbene Prinzessin, Maienbraut (ja mußte ich mal machen), Captain Future, Harlekin, Cowboy, Harry Potter, Tarzan, He-Man, Silas, Nonni, Mickey Mous und auch sonst kein Getier. Nur weil ich mich als Delphin verkleide und evtl. ne reife Bühnenshow drauß mache und zu Vermarktungszwecken nur noch als Delphin auftrete, bin ich noch lange keiner und empfinde mich auch nicht als ein solcher. Aus Spaß hab ich mal das alte hellblaue Kleid von einer anderen TF angezogen und dabei Spaßbilder gemacht (sind mittlerweile alle zerrissen), sozusagen Travestie in der eigenen Wohnung für 5 Minuten und trotzdem fühle ich mich nicht als TF oder Frau oder weiblich. Genausogut könnte ich locker Deine Kleidung anziehen und empfinde mich immer noch nicht als Frau. Du weißt doch selber, daß Kleidung alleine nicht identitätsstiftend ist. - Ich tue mich nach wie vor schwer Travestiestars eine wie auch immer geartete trans*-Richtung zu unterstellen. Ich glaube in diesem Punkt gehen wir beide ausnahmsweise mal stark auseinander.  ;) Wobei ich diesen Aspekt gerne mal mit dem Therapeuten bequatschen würde. Würde mich nämlich sehr interessieren, was er aus professioneller Sichtweise dazu sagt.  :)


Ich habe jedenfalls überhaupt kein Problem mit Transvestiten, auch nicht mit solchen, die Travestieshow machen.

Hat alles seine Berechtigung, und auch einen Hintergrund meist.

Ich auch nicht. Wobei ich bei TV den Hintergrund noch objektiv erfassen kann. Bei Travestiestars sehe ich jedoch keinen Hintergrund, außer dem, daß die damit Geld verdienen und bei sehr guter Leistung (siehe Mary alias Georg Preusse) sogar gutes Geld. Ich habe schon einige Travestiestars live erlebt, unter anderem im Burgtorclub in Dortmund und im "Darling" in Siegen-Geisweid und ich kann aus meiner Erfahrung heraus sagen, daß keiner von diesen Leuten auch nur annähernd an Georg Preusse rankommt. Selbst Lilo Wanders alias Ernie Reinhard bekommt das ganze nicht so authentisch hin. Aber vielleicht sehe ich das ganze gelassener, weil ich TM bin und daher nicht so nahe am Thema.

Bei Dragkings hingegen reagiere ich wieder empfindlicher, weil es wieder näher ist, so wie bei Gollum das Thema Travestie bei Biomännern. Bei Dragkings rümpfe ich die Nase weil ich mir verhohnepiepelt vorkomme, vor allem je klischeehafter die Rollen inszeniert werden. Ich habe bisher auf Dragkingseite noch keine so hohe Leistung erlebt, daß ich sagen könnte, da spielt der "Georg Preusse der Dragkings". Allerdings und jetzt ein Argument, daß Gollum auf ihrer Seite schon erwähnt hat, gibt es TG und selten TS, die vorher in der Dragkingszene waren, sich dort ausprobiert haben bevor ihre tatsächliche Selbsterkenntnis hochgekommen ist. (Hätte ich damals vor meiner Selbsterkenntnis wohl auch gemacht wenn es ein solches Angebot damals schon gegeben hätte, um mich in einem geschützten Rahmen ausprobieren und selbstfinden zu können. Hätte mir wahrlich vieles erleichtert damals, weil so der erste Druck weggenommen worden wäre. Muß ich ja unumwunden zugeben. Andererseits hätte es meine Selbsterkenntnis aber auch verschleppen können, je nach dem wie man es betrachtet. Denn wo wenig Druck, da kein Handlungsbedarf. Oder ich hätte ne schnellere Erkenntnis bekommen, weil ich bemerkt hätte, daß es allein das nicht ist und ich mich in der gesamten Lebenswirklichkeit als Mann empfinde, den Körper haben will und unter Lesben absolut unwohl gefühlt habe. Stimmt also alles irgendwo.) - Die meisten Dragkings sind jedoch mehrheitlich Lesben und davon wiederum mehrheitlich die Butches. TG oder gar TS sind da die absolute Minderheit und genau deswegen tue ich mich auch bei Dragkings schwer, denen da irgendwie ne trans*-Richtung zu unterstellen, daraus wiederum folgend, daß ich mich von denen verhohnepiepelt fühle. Die wenigen, die da wirklich ne trans*-Richtung haben, die haben auch mein Mitgefühl, alle anderen nicht.

Eine Ausnahme gibt es: Die Missfits (Gerburg Jahnke und Stefanie Überall treten leider nicht mehr auf) - ich habe mich immer prächtig amüsiert, wenn die als Männer aufgetreten sind und die Männerwelt mit ihren Klischees verballhornt haben. Da könnte ich mich heute noch schibbelig drüber lachen. Liegt aber wohl eher daran, daß die keine Dragkings sind, das nicht regelmäßig gemacht haben und daß die gleichzeitig gezeigt haben, daß sie ihre Männerrollen nicht ganz so ernst meinen.

Bei Dragkings siehts wieder anders aus, zwar auch Persiflage irgendwo, aber ich werde das dumpfe Gefühl nicht los, daß die tatsächlich daran glauben, daß Männer in diese persiflierten Richtungen tendieren. Ich werde das Gefühl nicht los, daß Dragkings ein schlechtes Männerbild haben und auch weitergeben. Gerade bei Lesben ist ein schlechtes Männerbild nicht gerade selten.

Andererseits, wenn ich mir mein geschriebenes hier so durchlese, frage ich mich gerade, warum ich auf Dragkings so empfindlich reagiere. Verwechslungsgefahr besteht objektiv nicht, erstens habe ich Passing, zweitens den Körper soweit wie möglich angeglichen, rechtlich unauffällig und drittens bin ich viel zu langweilig und viertens hat mich noch nie jemand danach gefragt ob ich ein Dragking bin. Warum reagiere ich also empfindlicher auf Dragkings wenn es mich doch eigentlich nicht tangiert? "Belastet" es mich, daß Dragkings ein schlechtes Männerbild propagieren und dieses dann auf Umwegen auf mich zurückfallen könnte? "Der ist ein Kerl demnach schei**!" Ich fühl mich gerade ein wenig unlogisch in mir selbst.

Und wenn allen Ernstes jemand das alles zusammenschmeißt mit TS, dann weiß ich wenigstens, wen ich vielleicht lieber meiden sollte.

Yep, ein gutes Argument.  :daumenhoch:

Offline mihi

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Re: Conchita Wurst
« Antwort #8 am: 10.Apr 2014, 18:28 »
... und mit dieser Erkenntnis solltest Du Dich doch total in Gollums Position einfühlen können.

Oder nicht?

Mihi

Offline selfmademan

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Re: Conchita Wurst
« Antwort #9 am: 10.Apr 2014, 20:25 »
... und mit dieser Erkenntnis solltest Du Dich doch total in Gollums Position einfühlen können.

Oder nicht?

So gesehen schon, ist bei mir ja das gleiche in grün. Aber ich erkenne auch eine gewisse Unlogik. "Ablehnung" (mir fällt kein besseres Wort ein) von Menschengruppen beruht auch meistens auf Ängsten und diesen Ängsten, vor allem bei mir, möchte ich auf die Schliche kommen. Interessant ist, wenn eine Frau einen Kerl so authentisch rüberbringt, wie es Georg Preusse als Mary gekonnt hat, dann empfinde ich keine Ablehnung, sondern eher noch Bewunderung für die hohe Kunst der Authentizität trotz Mogelei (im übrigen bewundere ich auch "Übe-Mädchen" und "Übe-Jungs", die nach ihrer Selbsterkenntnis ein geniales Passing hinbekommen.). Aber bei Billigvarieté rümpfe ich die Nase. Hm, ist wohl eher die mögliche gesellschaftliche Meinung über *uns*, die entstehen kann, wenn Dragkings und Billigtravestie-möchte-gern-Künstler ihr Ding machen. Vielleicht bin ich doch nicht so befreit von der gesellschaftlichen Meinung obwohl ich immer wieder sage, daß es mir egal ist, was die Leute über mich denken. Wobei, über mich als Einzelperson ist es mir tatsächlich wurscht, aber im Hinblick auf TS dann doch weniger, wie ich gerade beim nachdenken über mich selber feststellen muß. Interessante Erkenntnis über mich selbst.  :) Ich glaube, ich habe Angst davor, daß das Bild, das Dragkings über Männer abgeben, von der Gesellschaft auf TS projeziert wird und daher ehrlich betroffene Transmänner für übertrieben, verrückt, plemplem und nicht ernstzunehmen betrachtet werden. Ich muß das ganze mal in Ruhe mit mir selber durchdiskutieren, das wird noch ein spannender Dialog mit mir selbst.  :)

Offline Patrick Atréju

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Re: Conchita Wurst
« Antwort #10 am: 10.Apr 2014, 21:32 »
Ich stelle jetzt mal eine These auf. In deinem Fall jetzt, als Mann mit TS-Vergangenheit, der wirklich um alles kämpfen musste, was andere Männer einfach so haben, bist du vielleicht etwas empfindlich, was das angeht.

Dabei persiflieren Drag Kings ja gerade männliche Stereotypen.
Die mögen ja eher für Bio-Männer gelten, als für TS. Ich seh da jetzt ehrlich gesagt nicht so die Parellelen, respektive Projektionsmöglichkeiten.

Wie gesagt, ist nur meine Meinung. Vielleicht kommst du ja zu einem ganz anderen Ergebnis. Es bleibt spannend.




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Offline Patrick Atréju

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Re: Conchita Wurst
« Antwort #11 am: 10.Apr 2014, 22:33 »

Irgendwann hat es vielleicht auch der letzte Vollpfosten begriffen, dass es nicht nur Mann und Frau gibt, sondern auch was dazwischen.
Dann bin ich ein Vollpfosten, ziehe mir den Schuh dankend an und bin sogar noch stolz darauf. :)


Du Gollum, das ging ja mal überhaupt nicht an dich  ::)




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