Transsexualität-NIBD

Autor Thema: Transphobie in deutschen Medien - er oder sie? Aufruf zur Mithilfe  (Gelesen 3026 mal)

Offline Kim_S

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Hallo zusammen,

der Verein ATME e.V. hat heute (erneut) eine Beschwerde an den deutschen Presserat geschickt - es geht um eine transsexuelle Frau, die von den Medien als "er" bezeichnet wird. Wer sich fragt, was soll daran so schlimm sein... hier die folgende Übersicht:

Meldung:
Sex-Skandal in Rom - Transsexueller verbrannt

Zeitungen:
Hamburger Morgenpost
Sex-Skandal in Rom - Transsexueller verbrannt
Politiker Piero Marrazzo war zurückgetreten, nachdem ein Video von ihm und einem Transsexuellen aufgetaucht war. Jetzt gibt's eine Leiche, die Staatsanwaltschaft ermittelt


Focus
Der Transsexuelle wurde vor gut zehn Tagen von Unbekannten verprügelt, die ihm zudem sein Handy klauten.

Express
Jetzt ist der 32-jährige Transsexuelle tot.

...wenn transsexuelle Frauen um's Leben kommen, verbergen sich dahinter meist dieselben Motive: Das Aberkennen dessen, dass es sich bei transsexuellen Frauen um FRAUEN handelt, und nicht um Männer. Medien haben an der Sichtweise über transsexuelle Frauen einen grossen Anteil - sie können ein Klima des Respektes vor der Geschlechtsidentität transsexueller Frauen schaffen, in dem sie z.B. durch die Wahl richtiger Personalpronomen anerkennen, dass es sich bei einer transsexuellen Frau um eine Frau handelt - Medien können aber auch ein Bild über transsexuelle Frauen zeichnen, dass Gewalt- und Hassverbrechen erst möglich macht. Wer eine transsexuelle Frau als "er" bezeichnet, nimmt bewusst in Kauf, dass transsexuelle Menschen Diskriminierungen und Hassverbrechen ausgesetzt werden.

Medien haben also eine Mitverantwortung dafür, ob eine transsexuelle Frau ein Leben in Freiheit geniessen kann (mit Gewährung aller Menschenrechte) oder ob eine transsexuelle Frau um ihr Leben fürchten muss. Eine transsexuelle Frau ist kein "er", auch wenn es sich um eine tote transsexuelle Frau handelt.

Wenn Medien selbst bei einer toten Frau noch von "er" sprechen, was muss noch alles passieren, bis endlich jemand tätig wird und ernsthaft gegen die geschlechtlichen Falschzuordnungen vorgeht? Bisher ist es Italien, wollen wir warten bis wir in Deutschland auch so weit sind?

Hier das Beschwerdeformular des Deutschen Presserates: http://www.presserat.info/301.0.html

Wir möchten nun andere trans-Organisationen (oder auch Privatpersonen) dazu einladen, sich ebenso per Beschwerde an den Presserat zu wenden.

Lieben Dank,

Kim
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Offline Kim_S

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Die Artikel als pdf:
Express
Focus
Mopo
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Offline bea

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Hallo Kim, als ich die Berichte las, habe ich atsächlich drüber nachgedacht. Aber ich habe schon schlimmeres gesehen als das. Daher habe ich mich dazu entschlossen, mir derartige Schritte für wirklich klare Fälle aufzuheben und dies wie die anderen üblichen "Läßlichkeiten" hinzunehmen.

Die Formulierung Transphobie möchte ich allerdings nicht gelten lassen - Ablehnung, Nicht-Akzeptanz, wie sie sich in der Wortwahl dieser Artikel und sonst beispielsweise auch in der vor allem in den Springer-Medien und der FAZ üblichen optischen Aufmachung allgemeiner Artikel über Trans-Themen mit schrillen Witzfiguren deutlich äußert,  und Phobie sind für mich aber doch noch mal zwei Paar Schuhe.
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Offline Kim_S

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Daher habe ich mich dazu entschlossen, mir derartige Schritte für wirklich klare Fälle aufzuheben und dies wie die anderen üblichen "Läßlichkeiten" hinzunehmen.

Also ich finde eine verbrannte Leidensgenossin alles andere als eine "Läßlichkeit". Aber da gibt es wohl unterschiedliche Ansichten.
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Offline Beate Nina

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Was beim lesen der 3 Artikel auffällt ist das sie in ihrem Wortlaut fast eins zu eins übernommen wurden (inclusive der sonderbaren gemischten Anredeformen). Es wurde wenn nur geringfügig modifiziert und wohl einfach nur von einem von wem auch immer verfassten Leitartikel kopiert.
Ich finde die Art der Anrede sowie auch die ganze Aufmachung der Artikel, ziemlich menschenverachtend, verallgemeinernd und auch recht schmuddelmäßig gestaltet.
Immerhin ist hier ein Mensch grausam zu Tode gekommen und die Leitassoziationen mit einer simplen Schwarz-Weiß Rethorik vorgegeben.

Offline bea

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Es geht doch nicht um Brenda, sondern um Formulierungen in der Berichterstattung über ihren Tod. Sie ist übrigens wohl die zweite Frau, die in dieser Sache unter durchaus dubiosen Umständen ums Leben kommt.

Allerdings würde ich als Motiv keine Transphobie vermuten - Transphobe kaufen wohl eher selten Sex bei Transfrauen ein. Hier scheint es wohl eher um skrupelloses Vertuschen von Situationen zu gehen, die die Karriere beeinträchtigen - und dann hätte das wohl genauso jede andere Prostituierte treffen können, wenn ein Treffen mit ihr ruchbar geworden wäre.

Also - läßlich ist es m.E. vor allem deshalb nur, weil eine Berichterstattung aus Italien augenscheinlich nur unreflektiert übernommen worden ist, bei der ein halbwegs mitdenkender Journalist zumindest offen dafür sein müßte, dass die Berichterstattung aus den oben genannten Motiven gezielt versuchen könnte, das Opfer zu diskreditieren, und dazu eben Prostitution und Trans als Vehikel verwendet.

Und damit ergibt sich, dass Hirnlosigkeit in der Boulevardpresse für *mich* noch kein Grund für eine formelle Beschwerde bem Presserat ist - besonders, weil ja auch die eigentlichen Verursacher außerhalb der Zuständigkeit des Presserats  sind. Wenn der Bericht in der FAZ, der FR oder einer anderen ansprchsvollen Tageszeitung stünde, wäre das allerdings wohl ein Anlass für einen nachdenklichen Brief an die Redaktion - Gegenüber der FAZ nicht mein erster. Wir tun uns einen großen Gefallen, wenn wir diffenziert, abgestuft und mit Augenmaß reagieren.


Anders sähe das dann wohl schon aus, wenn eine derartige Berichterstattung von einer Presseagentur herausgegeben worden wäre; denn die ist ja per Selbstverständnis zur Seriosität verpflichtet.

@Kim: hast Du eigentlich Zugang zu den Meldungen der Presseagenturen? Weisst Du, ob und wie die über Brendas Tod berichtet hatten? Immerhin gibt ja zumindest FOCUS die DPA als Quelle an, und die scheint ja traditionell trans-unfreundlich zu sein.
« Letzte Änderung: 22.Nov 2009, 15:02 von bea »
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Offline Angelika1150

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Das mit den falschen Anreden ärgert mich auch immer wieder. Als ich den Bericht zum ersten mal las, dachte ich, dass es um eine schwule Beziehung des Politikers mit einem Transmann ging. Erst als ich den Namen Brenda las, wusste ich, dass da wieder mal grenzenlose Dummheit beim Schreiben der Grund war.

Ich frage mich auch wann die Journalisten endlich kapieren, dass im Falle von MzF-TS die weiblichen Formen, und nur im Fall von FzM-TS die männlichen Formen in der Berichterstattung angebracht sind.

Als ich gerstern den Artikel von krone.at auf unsere Seite trans-austria.org übernommen habe, habe ich die Anreden einfach ausgebessert und richtig gestellt.

Offline Kim_S

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@Kim: hast Du eigentlich Zugang zu den Meldungen der Presseagenturen? Weisst Du, ob und wie die über Brendas Tod berichtet hatten? Immerhin gibt ja zumindest FOCUS die DPA als Quelle an, und die scheint ja traditionell trans-unfreundlich zu sein.

Leider habe ich keinen Zugang zu käuflich erwerbbaren DPA-Meldungen mehr (ist zur Zeit leider so), der Artikel ist aber, so wie ich das sehe, wohl tatsächlich eine Agenturmeldung der DPA. Diese müssen aber von den Redaktionen eigentlich noch einmal gegengeprüft werden... Es gab zur DPA übrigens mal ein interessantes Bundesverfassungsgerichtsurteil, dass diese noch genauer und sorgfältiger arbeiten muss, da es sich ja um eine Agentur handelt, die Nachrichten an viele Zeitungen weiterverbreitet. Ich hatte wegen eines ähnlichen Artikels mal einen DPA-ler am Telefon und er war damals einsichtig, dass die richtige Wahl der Personalpronomen wichtig ist wenn es um TS geht (es ging um die Brust-OP, die vor kurzem durch die Medien geisterte, angeblich für einen "Transsexuellen"). Deswegen ärgert es doppelt, wenn es schon wieder passiert.
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Offline bea

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Dann hilft aber eine Beschwerde beim Presserat über die Medien, die den DPA-Bericht übernommen haben, nicht weiter.

Vielleicht ist der beste Weg fürs erste ein freundlich ernster Brief an die Leitung der DPA?
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Offline Kim_S

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Dann hilft aber eine Beschwerde beim Presserat über die Medien, die den DPA-Bericht übernommen haben, nicht weiter.

Das Problem ist nur, dass der Presserat ja das eigentliche Organ für Beschwerden ist und du in Deutschland kaum einen anderen Ansprechpartner hast, wenn es um die Einhaltung des Pressekodex geht. Zwar kannst du immer auch Redaktionen oder Agenturen direkt anschreiben - nur ob es was bringt? Es gibt in Deutschland über 400 Zeitungen, mehrere Nachrichtenagenturen und wenn wir dann einen Schnitt von 20-30 Redakteuren ansetzen (geschätzt) komme ich dann auf ca. 10000 Zeitungsredakteure. Willst du die alle zu einem Einzelgespräch bitten?

Ich sehe den anderen Weg als sinniger an... der aber nur wirklich gelingen kann, wenn genügend Menschen sich beim Presserat beschweren und auch die trans-Organisationen da alle mitmachen. Dann müssen sich die Presseratsmitglieder noch ernsthafter als bisher mit dem Thema "Diskriminierung von transsexuellen Menschen in den Medien" auseinandersetzen und sprechen dann doch irgendwann einmal eine Rüge aus. Und wenn wir es schaffen, dass z.B. Zeitungen wie der Stern oder der Focus hier gerügt worden sind, dann können die trans-Organisationen mit dieser Rüge arbeiten.
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Offline Angelika1150

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Leider habe ich keinen Zugang zu käuflich erwerbbaren DPA-Meldungen mehr (ist zur Zeit leider so), der Artikel ist aber, so wie ich das sehe, wohl tatsächlich eine Agenturmeldung der DPA.

Ich weiß nicht wie das  bei der DPA ist, aber alle APA-Meldungen kannst Du kostenlos auf www.ots.at nachlesen. Nur das weiterverbreiten wäre kostenpflichtig, nicht aber der private Gebrauch für Dich zur Information.

Offline bea

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Das Problem ist nur, dass der Presserat ja das eigentliche Organ für Beschwerden ist und du in Deutschland kaum einen anderen Ansprechpartner hast, wenn es um die Einhaltung des Pressekodex geht. Zwar kannst du immer auch Redaktionen oder Agenturen direkt anschreiben - nur ob es was bringt? Es gibt in Deutschland über 400 Zeitungen, mehrere Nachrichtenagenturen...
Und die wichtigste von ihnen ist wohl immer noch die DPA. Da die meisten Zeitungen derartiges Material wenig bis nicht verändert übernehmen, reicht es als erstes, sich mal um die Agenturen zu kümmern, und im Einzelfall vielleicht um die Redaktionen wichtiger Tageszeitungen.

Dass es nichts bringt, dort einzelne Redakteure anzuschreiben, hast Du ja selbst erlebt. Daher habe ich ja auch ins Spiel gebracht, sich erstmal höheren Orts in der DPA zu beklagen und um Verbesserung zu bitten. Derlei Schreiben sollten sich m.E. auch gesammelt auf mehrere Vorkommninsse beziehen. Das gibt der Sache mehr Gewicht und vermeidet den Eindruck der Beschwerdeliesel.

Anschreiben und Reaktionen bzw. Nicht-Reaktionen lassen sich dann ja auch anderweitig veröffentlichen oder sonstwie weiterverwenden, u.U. sogar in dem Teil der Presse, der nicht trans-unfreundlich ist - wir nämlich durchaus unwichtig genug, als das das die wirtschaftliche Beziehung zwischen Agentur und Medium wesentlich beeinträchtigen könnte.
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Offline bea

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Bevor ich mich in Rage rede über Anrede und was passiert ist...
(dachte wir wären aus dem Zeitalter von Steinigung und Hexenverbrennung raus)
Aber es geht um Italien mit seiner korrumpierten Machtelite.
Zitat

resto nella pace, Brenda
In saecula saeculorum. Amen.
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Es passiert mir ja echt nicht häufig, wenn ich Forenbeiträge lese... aber gerade sitzte ich vor dem PC und muss anfangen zu heulen...
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