Ich möchte generell mal zum Nachdenken anregen. Warum um alles in der Welt denn immer alles in enge, kleine Schubladen gepackt werden muss? Genau diese Denkweise fördert Intoleranz im Allgemeinen.
a) Warum kann nicht jeder sein Leben so gestalten wie es ihm gefällt? Wir leben doch nicht für die Gesellschaft, sondern um unseres eigenen Lebens Willen. Warum muss alles immer so schwarz und weiß sein? Für mich sind das Überbleibsel diverser Ausrottungsversuche in der Menscheitsgeschichte. Schaut mal in die Natur, wie vielfältig und bunt es da zugeht. Und die Tiere haben kein Problem damit, wenn da welche z.B. homosexuell sind. Nur der Mensch regt sich auf, weil das Christentum irgendwann mal gesagt hat: "Pfui, das geht aber nicht!" Der Mensch maßt sich an, die Natur neu zu ordnen... Das sagt doch schon alles!
Ich definiere mich anders als mein Nachbar, ihr definiert euch jeder für sich ein Stück weit anders als andere Transmenschen (und ich verwende jetzt mal bewusst solch einen schwammigen Begriff) und jeder von uns versucht doch nur glücklich zu werden. Und genau darauf hat jeder ein Recht!
b) Warum haltet ihr euch an irgendwelchen Begrifflichkeiten fest? Der "Normalbürger" (was immer das ist) da draußen kann TS begrifflich eh nicht auseinander halten! Selbst dann wenn man versucht, es zu erklären. Den meisten ist das einfach zu hoch. Für den Normalo ist es sch***egal, ob jemand transsexuell nach ICD10 F64.0 ist oder Transgender oder Transvestit. Da wird so oder so erstmal alles in einen Topf geworfen, egal, wer sich wie verhält. Nebenbei bemerkt ist es einfach schlichtweg irrelevant, welches nun der richtige Begriff ist. Denn da ist ein Mensch mit einem Bedürfnis, welches er sich erfüllt. Und nur weil es euer Befinden stört, wird diesem Menschen dann sein Recht auf Selbstbestimmung abgesprochen? Denkt mal drüber nach!
c) Wenn ihr euch abgrenzen wollt, dann TUT es einfach! Dadurch, dass ihr klar macht, was IHR seid, sehen die Leute, dass ihr nichts mit dem/denen zu tun habt, die sie im Fernsehen gesehen haben. Wenn z.B. im TV schrille Transfrauen rumlaufen, dann kleidet und schminkt euch halt dezent. Cis-Menschen grenzen sich doch auch untereinander dadurch ab, wie sie sich kleiden, verhalten, etc. Aber dafür müsst ihr eben zum einen Aufklärungsarbeit leisten und eure Standpunkte vor Nicht-Betroffenen vertreten, bzw. eben ein Verhalten und entsprechendes Auftreten an den Tag legen, wo jeder sieht: "och, ist doch eigentlich nur ne ganz normale Frau/ ein ganz normaler Mann". Und schon hebt ihr euch selber von dem ab, was euch solche Kopfzerbrechen bereitet.
Kleines Beispiel:
Ich bin stark tätowiert. Tätowierungen waren früher in Deutschland nur unter Knastis weit verbreitet. Heute denken manche Leute immer noch so hinterwäldlerisch. Ich bin aber kein Knasti und jeder, der mich mit nem Knasti vergleicht, ist für mich ein hohler, dummer Bauer, der keine Ahnung hat. Für andere sind Tattoos nur moderne Modeerscheinungen (siehe Arschgeweih). Tätowierungen hatten aber ursprünglich einen spirituellen Hintergrund und den hat das Tätowieren für mich persönlich nach wie vor. Die Leute verstehen nicht, dass sie da einen tiefspirituellen Menschen vor sich haben, und denken ich sei primitiv und dumm. Bitte, sollen sie. Das gleiche denke ich nämlich von ihnen, weil sie sich mit ihrer gnadenlosen Unwissenheit offenbaren und sich damit selbst lächerlich machen. Zudem grenze ich mich eben ab vom Knasti, indem ich nicht das tue, was einen Knasti ausmacht. Ich bin ein redlicher Bürger, der noch nie im Knast war und dort auch nicht hingehen wird, solange das, was ich als Gerechtigkeit empfinde auch Gerechtigkeit ist. Ich ziehe mir einfach nicht den Schuh an. Punkt! (Gut, das verlangt mentale Stärke, aber die hab ich mit der Zeit halt bekommen.)
Und wenn mich morgen einer fragen würd, ob ich als Transmann jetzt auch schwanger werden will, würde ich ganz sachlich und freundlich antworten: "Ich sehe mich eigentlich als ganz normalen Mann und kann mir das für mich selber nicht vorstellen." Mit diesem kleinen Satz drücke ich aus, dass ich mich 1. als "normal" (also als das, was die Gesellschaft als normal einstuft) empfinde und 2. grenze ich mich deutlich ab, ohne dem anderen TM sein Recht auf Fortpflanzung abzustreiten.
Ihr könnt niemals verhindern, dass es Leute in der Gesellschaft gibt, die auffallen, und das ist nicht nur bei trans so, sondern generell. Wenn man nicht mit diesen Leuten in einen Topf geworfen werden will, dann muss man sich einfach abgrenzen, indem man sich anders verhält. Es nützt nichts, zu versuchen, die "unnormalen" normieren zu wollen, denn die haben eben nun mal einfach ein Recht darauf "unnormal" zu sein. Und wenn wir anfangen zu normieren, wo hören wir dann auf? Das geht ganz schnell nach hinten los! Ich möchte dezent an die jüngere deutsche Geschichte erinnern. Dahin will ich nicht zurück! Auf gar keinen Fall!
d) Nicht alles normieren und alles Unnormale verstecken ist die Lösung, sondern es zu schaffen, dass die Gesellschaft Lebensformen/Lebenskonzepte ab von der Norm als lebenswert erachtet, auch wenn die Leute selber nicht so leben wollen würden. Und da hilft nur Aufklärung, sachliche Diskussion und ein respektvoller Umganz miteinander. Leben und leben lassen! Sobald die Gesellschaft merkt, dass da keine Gefahr lauert, wird es auch irgendwann akzeptiert. Der Mensch hat immer erstmal Angst vor Dingen, die er nicht kennt. Aber die Gesellschaft öffnet sich zum Glück immer weiter. Ein wertvoller Beitrag zu dem Ganzen ist es, sich selbst zu öffnen. Ich diskutiere immer ganz offen im Freundeskreis. Wenn die Leute sehen, dass da Menschen sind, die ungewöhnliche Dinge tolerieren oder sogar richtig gut finden, dann sind sie eher bereit, es ebenfalls zuzulassen. (Der Mensch ist ein Herdentier!)
Je engstirniger die Menschen sind (und je mehr Menschen so sind) und alles Unnormale "weghaben" wollen, desto schlimmer wird es eigentlich. Das kann auch nicht im Sinne von uns Transleuten sein, denn wir sind halt nun mal ein Stück weit unnormal, ob wir das wollen oder nicht. Und gerade WEIL wir unnormal sind, sollten wir uns öffnen können für andere Leute, die ab der Norm leben, egal ob sie nun einen Transhintergrund haben oder nicht, und egal, ob wir genauso leben und handeln würde wie sie oder nicht.
e) Was die Pöbeleien betrifft, die mal angesprochen wurden: Paroli bieten lernen! Denn gepöbelt wird nicht nur vor dem Transhintergrund, sondern wegen aller möglicher Sachen. Und ich bin weiß Gott jemand, der schon so viele dumme Sprüche im Leben ertragen musste, VÖLLIG ab vom Thema trans, denn ich bin da in mehrfacher Hinsicht "gestraft", da kann man die paar Transsprüche auch noch irgendwie verdauen. Ja, es tut weh, aber Gott, was hat man mir schon mit Sprüchen wehgetan, die nichts mit trans zu tun hatten.
Ich bin weiß wie ein Käse, werd nicht braun und hab hässliche rote Flecken im Gesicht, die nie weggehen. Außerdem wird mein Gesicht so dermaßen schnell rot, wenn ich bissl schwitze, dass ich jedes Mal das Kotzen kriegen könnte. Das waren jetzt mal nur drei von noch vielen weiteren Faktoren, warum ich gehänselt wurde, warum ich angepöbelt wurde und was weiß ich. Daran kann ich nichtmal etwas ändern, damit muss ich leben! Meinen "falschen Körper" kann ich zum Glück angleichen lassen, dann fällt eine Last schonmal von mir ab. Aber mit dem Rest muss ich klar kommen.
Man wird nie verhindern können, dass gepöbelt wird. Aber man kann lernen damit umzugehen oder sich zu wehren.
f) Eine Sache, die seltsam ist: Gerade Gollum fällt als TF doch nicht mal mehr groß auf (Ich nenne sie hier, weil ich sie in natura kenne, andere kenne ich grad nicht, die "fertig" sind).
Kein Schwein Warum zieht ihr euch also den Schuh an? Gut, es gibt Leute, die euch kennen und wissen dass ihr trans seid? Aber die wissen doch auch, dass ihr euch von denen abgrenzt, mit denen ihr nicht verglichen werden wollt. Also was ist das Problem?
So, das waren mal meine Denkanregungen, was mir so eingefallen ist. Ich will hier keinen angreifen, aber ich möchte gerne für ein bisschen mehr Toleranz appelieren, denn die kann jeder hier selbst weiß Gott mehr als genug gebrauchen.
Euch allen eine schöne (und vielleicht nachdenkliche) Woche!
Liebe Grüße,
Berengar
"Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, daß Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen." (René Descartes)