Transsexualität-NIBD

Autor Thema: Uni-Vortrag "Transsexuelle in der heutigen Gesellschaft- Vorurteile und Aktzepta  (Gelesen 4909 mal)

Offline AnniBu

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Hallo an alle! :)

ich bin Anne-Marie und studiere Hebammenkunde in Bochum. In dem Modul "Frau sein und Gesundheit, Sexualität und Familienplaung" steht dieses Jahr als Modulprüfung ein 10minütiger Kurzvortrag an.
Ich habe das Thema "Transexuelle in der heutigen gesellschaft-Vorurteile und Aktzeptanz" gewählt und würde mich freuen wenn sich jemand von euch ein paar Minuten Zeit nehmen würde um mir ein paar Fragen zu beantworten. Wie gesagt, es ist nur ein 10 Minuten-Vortrag, daher wird das Mini-Interview auch nicht sehr zeitintensiv werden.

Danke schonmal im Vorraus! :)

Achja und ein frohes neues Jahr ;)

lg Anni

Offline Patrick Atréju

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Hallo Anni,

richten sich deine Fragen ausschließlich an TransFrauen, oder auch an TransMänner?
In einem solchen Fall könnte ich mir vorstellen, deine Fragen zu beantworten, solange Anonyminität gewährleistet ist.

LG




22.05.2012 Beginn therapeutischer Begleitung wegen TS
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Offline AnniBu

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Hallo,

ich mache da keinen Unterschied ob Transmann oder Transfrau!
Das wäre wirklich super!
Wenn du mir per PN deine Email-Adresse sendest, schicke ich dir die Fragen zu! :)

In meinem Vortrag wird als Quellenangabe das Interview angegeben, aber es werden keine Namen genannt, wenn das nicht erwünscht ist.
Und solltest du merken, dass du eine oder mehrere Fragen nicht beantworten möchtest, ist das kein Problem. Du hast jederzeit die Möglichkeit zu sagen, was in Ordnung ist und was nicht. :)

lg Anni

Offline AnniBu

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Weil ich mir dachte, dass sich vielleicht nicht jeder an einer öffentliche Diskussion beteiligen möchte und so ein "Einzelinterview" einen geschützteren Rahmen bietet. Und ich kann es als Quelle besser angeben.
Ich finde das wahnsinnig interessant was ihr alle so erlebt habt, nur weiß ich nicht, wie ich so eine offene Diskussion für die Uni als seriöse Quelle verpacken kann ;)

Ansonsten finde ich das eigentlich ne super Idee...Also mich interessiert für meinen Vortrag vor allem, ob und welche Vorurteile es gegenüber Transsexuellen gibt. Oder ist Deutschland offener als ich denke? Gibt es bestimmte Bereiche im Leben (privat oder auf Arbeit etc) wo man mehr Schwierigkeiten hat oder kann man das schlecht verallgemeinern? Gibt es Menschen, die mehr Vorurteile haben? (Also im Vergleich Männer oder Frauen, Kinder oder Erwachsene, Alte oder Junge...)
Wie lange dauerte es, bis ihr eure Transsexualität selber aktzeptieren konntet bzw. bis ihr euch jemandem anvertraut habt?

Wenn sich hier eie Diskussion entwickeln sollte, würde ich die Erfahrungen gerne in meinem Vortrag verwenden, ohne jedoch irgendwelche privaten Daten überhaupt abzufragen. Das Ganze ist also komplett anonymisiert.

Danke für den Vorschlag, Gollum :)

lg Anni

Offline JulianNoah

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Zitat
welche Vorurteile es gegenüber Transsexuellen gibt. Oder ist Deutschland offener als ich denke?
es ist offener als ich dachte. ich hab bisher nur gute erfahrungen. und wo ich noch als "mädchen" mit jungspassing rumlaufe ist es auch kein problem.

Zitat
Gibt es bestimmte Bereiche im Leben (privat oder auf Arbeit etc) wo man mehr Schwierigkeiten hat oder kann man das schlecht verallgemeinern?
mir ist es so, dass je näher ich einem menschen bin, desto schwerer ist es. ich mich zu öffnen und sie mich zu akzeptieren, weil das bild (so, wie ich angeblich bin) in den köpfen stärker ausgeprägt ist.
in der schule krieg ich ziemlich viel unterstützung.

Zitat
Gibt es Menschen, die mehr Vorurteile haben? (Also im Vergleich Männer oder Frauen, Kinder oder Erwachsene, Alte oder Junge...)
es gibt einfach leute, die aufgeklärt sind und welche die nich.

Zitat
Wie lange dauerte es, bis ihr eure Transsexualität selber aktzeptieren konntet bzw. bis ihr euch jemandem anvertraut habt?
ein halbes jahr, von der ersten ahnung bis zum ersten wichtigen coming out.
mich zu akzeptieren war eigentlich kein problem, eher erleichterung und freude, dass die ganzen sachen, nach denen ich mich gesehnt habe, tatsächlich passieren werden.

Offline AnniBu

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Hallo JulianNoah,

vielen Dank für deine Offenheit! Das bringt mich wieder ein Stück weiter :)

LG Anni

Offline AnniBu

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Hi Gollum,

wow...ich bin wirklich getroffen von deiner Geschichte...egal welchen Weg man zu leben wählt oder was man denkt oder sagt oder selbst wenn man sich völlig unauffällig verhält, hat es niemand verdient so behandelt zu werden. Ich hoffe, dass du mit dem wohl abschließenden Schritt der angleichenden OP für dich Frieden findest und in einem für dich gutem Umfeld leben kannst, in dem du so akzeptiert wirst wie du bist. Ich kenne dich zwar nicht, aber ich bin mir sicher, dass du wie jeder Mensch auf deine Weise einzigartig und wunderbar bist! Ich wünsche dir das Beste für deine Zukunft!

Ich habe schon von der gesetzliche Lage in Deutschland gelesen und war echt überrascht, dass es sowas gibt und vor allem dass die sonst so knauserigen Krankenkassen die Operationen bezahlen.
Wie ich die Geschichte mit der Definition gut verpacken soll in meinem Vortrag weiß ich auch noch nicht genau...ich habe gelesen, dass es sowohl unter Experten, "Experten" und auch Betroffenen (hat da jemand ein schöneres Wort für? Ich finde das klingt irgendwie unpassend...) verschiedene Ansichten dazu gibt. Das war mir vor meiner Recherche auch nicht so bewusst, bzw habe ich darüber nie wirklich nachgedacht.

Das mit der Seriösität und dem Email-Kontakt habe ich mir zwischenzeitlich auch schon gedacht. Ich bin über jede Info zu dem Thema froh und bin wie gesagt auch offen dafür, das einfach hier im Forum zu sammeln! :)

lg Anni

Offline selfmademan

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Hallo AnniBu,

ob und welche Vorurteile es gegenüber Transsexuellen gibt. Oder ist Deutschland offener als ich denke?

Es gibt immer noch sehr viele Vorurteile uns TS gegenüber. Oftmals werden wir einfach als verkappte Homosexuelle angesehen, die sich nicht trauen, zu ihrem schwul- oder lesbischsein (entsprechend der geborenen Anatomie) zu stehen. Oft verlieren wir aufgrund TS unsere Arbeitsplätze. Kirchengemeinden und Religionen verstoßen uns, weil wir nach deren Meinung in Gottes Handwerk pfuschen. Andere wiederum halten uns für schlicht und ergreifend verrückt in der Birne. Leider schürt die Einordnung der TS in den F-Bereich des ICD 10 noch dieses Vorurteil, wir seien krank im Kopf. Dort werden wir als "geschlechtsidentitätsgestört" hingestellt und gegen unseren Willen psychopathologisiert. Auch Sprüche wie, daß man uns unter Hitler vergaßt hätte, kommen immer noch vor. Was sich auch weiterhin sehr gerne hartnäckig hält, ist die Einordnung von TS in den Rotlichtbereich sowie das Vorurteil, wir würden das ganze aus einer sexuellen Neigung oder gar sexuellen Perversion heraus machen. Dabei ist Sexualität das letzte Thema, an das ein TS denkt. Dieses Thema beginnt erst dann, wenn die OP's soweit abgeschlossen sind. Auch nicht selten ist das Vorurteil, daß wir kleine Kinder mit unserem Dasein verderben würden. Meiner einer wurde als Kinderschänder bezichtigt nur weil ich einen transsexuellen Hintergrund habe. Mir läuft es jetzt noch eiskalt den Rücken runter wenn ich an diesen Tag denke.

Natürlich hat sich vieles in den letzten 20 Jahren getan und im Vergleich dazu ist die Situation besser geworden, aber es reicht noch lange nicht und ist noch lange nicht da wo es sein sollte, nämlich im Bereich der bedingungslosen Akzeptanz. Erst der letzte Vorfall mit Alexandra (Transmädchen) aus Berlin, die gegen ihren Willen und gegen den Willen der Mutter in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen werden sollte, um sie wieder von ihrer Transsexualität abzubringen um aus ihr einen "normalen" Jungen zu machen zeigt, wie es tatsächlich um das Thema TS steht. Die meisten Psychotherapeuten, Psychiater und Psychologen sind nicht bereit, die Tatsachen zu akzeptieren, da wir für sie ein nettes finanzielles Zubrot sind. Dieses Zubrot würde wegfallen, wenn auch wir nicht mehr im F-Bereich des ICD 10 stehen würden. Ich selber habe die Zeit bei meinem ersten TS-Psychiater nur wegen der Kostenzusage der Krankenkasse abgesessen.

Gibt es bestimmte Bereiche im Leben (privat oder auf Arbeit etc) wo man mehr Schwierigkeiten hat oder kann man das schlecht verallgemeinern?

Ich sage mal so, Idioten, Ewiggestrige und Schwachmaten gibt es überall. Im Privatbereich haben meistens die eigenen Eltern die größten Schwierigkeiten, die TS als unabänderbare Tatsache zu akzeptieren. Vor allem dann, je länger sie ihr Kind mit der vermeintlichen Identität erlebt haben. Beruflich kommt es drauf an. Ist der Arbeitgeber tolerant oder intolerant? Bin ich bereits geoutet oder noch ungeoutet? Habe ich bereits ein gewisses Passing oder sieht man mir die Vergangenheit (gerade sehr oft bei "späten Mädels" der Fall) immer noch an? Habe ich die medizinische und rechtliche Transition komplett durch, sind die Papiere alle umgeschrieben oder gibt es noch diverse Dinge, die mich "verraten" können? Ich selber arbeite völlig stealth und werde den Teufel tun, mich auf der Arbeit zu outen. Erstens gibt es nix mehr zu outen, da ich authentisch und unauffällig als Mann lebe und zweitens wäre ich meinen Job sofort los, wenn ich mich je outen würde. Ich will einfach nur stinknormal als Mann leben und arbeiten und ansonsten einfach nur meine Ruhe haben.

Übrigens, nicht selten leiden transsexuelle Kinder und Jugendliche unter erheblichem Mobbing. Eben weil die Gesellschaft und die Schulen oft nicht vernünftig aufgeklärt sind.

Gibt es Menschen, die mehr Vorurteile haben? (Also im Vergleich Männer oder Frauen, Kinder oder Erwachsene, Alte oder Junge...)

Hier kann man keine Unterschiede machen. Die Vorurteile befinden sich in allen Altersklassen, bei allen Geschlechtern und in allen Gesellschaftsschichten. Allerdings, wenn kleine Kinder ihre transfeindlichen Parolen schwingen, dann nur, weil die Eltern dies so vormachen. Denn ein Kind ansich wird erstmal ohne jegliches Wertungsbewußtsein und ohne Vorurteilsbehaftung geboren. Ein Kind nimmt ohne zu hinterfragen die Aussagen der eigenen Eltern an. Und wenn man Pech hat, sind das dann halt eben transphobe Äußerungen.

Wie lange dauerte es, bis ihr eure Transsexualität selber aktzeptieren konntet bzw. bis ihr euch jemandem anvertraut habt?

Meine ersten Gefühle in dieser Richtung habe ich bewußt mit 13 wahrgenommen, konnte diese aber nicht zuordnen. Davor waren sie zwar auch schon da, aber ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, weil mein männliches Verhalten für mich normal war. Je mehr ich in die Pubertät kam, desto schlimmer wurde das ganze. Mein Gedanken kreisten nur noch um das eine Thema: "Was wäre wenn ich ein Mann wäre" und das von morgens bis abends. Es hat noch 8 weitere Jahre gedauert bis ich vor mir selber zu diesen Gefühlen stehen konnte. Da war ich bereits 21 Jahre alt. In diesem Alter habe ich mich auch der ersten Person anvertraut. Das erste Coming Out war aufregend und zugleich befreiend aber im Vorfeld auch mit vielen Ängsten verbunden. Werde ich akzeptiert oder wird man mich verstoßen, auslachen?

Offline mihi

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Ich wiederhole jetzt mal nicht, was die anderen schon gesagt haben, denn ich sehe es ähnlich.

Also mich interessiert für meinen Vortrag vor allem, ob und welche Vorurteile es gegenüber Transsexuellen gibt.

Die Leute kennen zunächst einmal Travestie-Künstler und vielleicht noch in übersteigerter Weise als Frauen verkleidete Männer aus Fernsehberichten über den CSD oder ähnliche Veranstaltungen. Inzwischen bessert sich das wahrscheinlich.

Das Problem dabei ist: Auf der Straße sieht man weder Transsexuelle noch normale Transvestiten, weil die ja nicht als solche erkennbar sind, sondern für ganz normale Exemplare des Zielgeschlechts gehalten werden. Dadurch können sich die Vorurteile auch schlecht abbauen.

Oder ist Deutschland offener als ich denke?

Genaugenommen können wir das nicht beantworten, weil wir nicht wissen, was Du denkst. Wenn man Lebensgeschichten von Transsexuellen aus früherer Zeit liest, dann ist es inzwischen deutlich besser geworden. Vor 10 Jahren hätte ich mich noch nicht getraut, das jemandem zu erzählen.

Literaturhinweis: Udo Rauchfleisch: Transsexualität - Transidentität. ISBN 978-3-325-46260-7. S135ff.

Gibt es bestimmte Bereiche im Leben (privat oder auf Arbeit etc) wo man mehr Schwierigkeiten hat oder kann man das schlecht verallgemeinern?

Das erleben verschiedene Leute auch ganz verschieden. Es gibt sowohl auf Arbeit als auch privat solche und solche Leute. Verallgemeinern würde ich, daß es für Transfrauen mehr Probleme mit Männern als mit Frauen gibt. Ich kenne mehrere Männer, die mit meiner Transsexualität nicht zurechtkommen, aber keine Frauen. Ähnlich habe ich es von anderen Betroffenen gehört.

Das Problem der Männer, die mit mir Schwierigkeiten haben, sind echte Gefühlszustände (Ekel, Abscheu). Es ist keine Frage der Einstellung mir gegenüber oder der Vorurteile. Die gruseln sich wirklich und können das also auch nicht einfach so ändern. Das Problem nimmt mit zunehmender optischer Annäherung an das Zielgeschlecht zu.

Gibt es Menschen, die mehr Vorurteile haben? (Also im Vergleich Männer oder Frauen, Kinder oder Erwachsene, Alte oder Junge...)

Vorurteile über Transsexuelle würde ich deutlich von Schwierigkeiten mit bzw. Abscheu gegen Transsexuelle unterscheiden. Vorurteile haben alle, Abneigungen nur wenige.

ein paar Zahlen von mir:
- Privat: 1x echte Abscheu (sehr naher Verwandter), einige zurückhaltend,
  die überwiegende Mehrzahl positiv
- Arbeit: 2x echte Abscheu, viele Männer ignorierend, aber auch positive
  Kommentare ("Ich arbeite sowieso lieber mit Frauen zusammen.",
  "Ich hatte schon davon gehört und ich wußte wirklich nicht, was mich
  erwartet, aber ich muß sagen, ich bin positiv überrascht."), Frauen
  durchweg positiv, interessiert, zum Teil anerkennend ("mutig")
- Wohnumfeld: alles positiv, Kontakt zu den Nachbarn ist besser
  geworden

Wie lange dauerte es, bis ihr eure Transsexualität selber aktzeptieren konntet bzw. bis ihr euch jemandem anvertraut habt?

Bei mir hat es ca. 35 Jahre gedauert, wenn man von dem Zeitpunkt ausgeht, wo ich mich nach einem Mädchennamen für mich umgesehen habe, bis zu dem Zeitpunkt, wo ich angefangen habe, mich ernsthaft mit Transsexualität zu beschäftigen.

Wirklich anvertraut habe ich mich erst dann jemanden, nachdem ich mir alle Horrorszenarien (Arbeitsplatzverlust, kompletter Ausstoß aus der Familie und dem sozialen Umfeld) im Detail ausgemalt hatte und erkennen mußte, daß alle diese Dinge das geringere Übel sind. Allerdings muß ich sagen, daß es einige Leute schon von allein gemerkt hatten, bevor ich etwas gesagt habe. Nichts von dem ganzen Horror ist eingetreten.

Vom Beginn der Beschäftigung mit Transsexualität (also wo ich angefangen habe, Informationen zu suchen) bis zum Eingeständnis der eigenen Transsexualität war es etwa ein halbes Jahr. Da fand ich mich in den Beschreibungen anderer Betroffener und in den wissenschaftlichen Berichten einfach zu sehr wieder.

Wenn sich hier eie Diskussion entwickeln sollte, würde ich die Erfahrungen gerne in meinem Vortrag verwenden, ohne jedoch irgendwelche privaten Daten überhaupt abzufragen. Das Ganze ist also komplett anonymisiert.

Dieser Thread ist ja offen im Internet einsehbar. Möglicherweise würden manche (ich eingeschlossen) manche Dinge etwas deutlicher schreiben, wenn der Thread im geschützten Bereich läge, wo nur angemeldete Benutzer mitlesen können.

Was mir sonst noch so einfällt:

In den Medienberichten wird die Bedeutung der geschlechtsangleichenden Operation maßlos übertrieben. Das Geschlecht sitzt im Kopf, nicht zwischen den Beinen. Viel wichtiger als diese Operation ist das Verhalten. Ebenfalls wichtig ist ein ausreichendes Passing, d.h. von den Leuten als zum Zielgeschlecht gehörend wahrgenommen zu werden.

Zum Verhalten will ich noch etwas ergänzen. Meine Erfahrung ist so, daß sich unmittelbar, nachdem ich mich vor mir selber zu meiner Transsexualität bekannt hatte, das Verhalten meiner Mitmenschen mir gegenüber deutlich verändert hat. Die Leute waren viel freundlicher, und Frauen haben in meiner Gegenwart Dinge gesagt, die sie gegenüber Männern nicht sagen würden. Da wußte außer mir noch niemand etwas.

Ich habe mal einen Vortrag gehört, den ein Transmann hielt. Er hatte eine tiefe, männliche Stimme und ein völlig männliches Aussehen. Aber die Gestik und Mimik, das nonverbale Verhalten, war weiblich. Das wirkte ganz komisch.

Für mich ist das wesentliche Symptom der Transsexualität nicht der Wunsch, im Gegengeschlecht zu leben, sondern das Gefühl des Dazugehörens bzw. Nicht-Dazugehörens. Des Dazugehörens zu einem bestimmten Geschlecht. Zur Menschheit überhaupt (manche schreiben, sie fühlten sich wie Außerirdische). Zur Familie. Zur Kindergartengruppe und später Schulklasse. Gehöre ich da wirklich dazu oder stehe ich eigentlich nur dabei? Die Betroffenen sind auch nicht einfach körperlich komplett das eine und seelisch komplett das andere Geschlecht. AnniBu, wenn Du Dich hier durch die Beiträge wühlst, wist Du irgendwo auf die Gollum-Skala für das Verhältnis von männlichen und weiblichen Anteilen im eigenen Gehirn stoßen. Es gibt nicht nur schwarz und weiß, es gibt einen fließenden Übergang von männlich zu weiblich. Mancher findet sich da irgendwo in der Mitte wieder und kann sich weder so richtig als zu den Frauen gehörig, noch als so richtig zu den Männern gehörig fühlen. Solche Leute haben es nocht schwerer.

Mihi

Offline AnniBu

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Wie heftig jemanden nur auf Grund seiner Einstellung oder einfach weil man für die Gesellschaft anders ist als Kinderschänder bezeichnet zu werden. Es ist wirklich schockierend, wie engstirnig manchen Menschen sind.
Ich danke auch dir für deine Offenheit! :)

LG anni


Offline Patrick Atréju

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Ich habe auch noch etwas beizutragen.

Heute habe ich bei der Arbeit erfahren, dass es die Pflegedienstleitung meint, es wäre illegal, am Arbeitsplatz als Mann aufzutreten, und mit entsprechendem Vornamen angesprochen zu werden, bevor ein gerichtlicher Beschluss vorliegt.  :doh:




22.05.2012 Beginn therapeutischer Begleitung wegen TS
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Offline AnniBu

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Hallo Mihi,

mit dem Lesen deines Beitrages hab ich noch mehr das Gefühl bekommen, dass ein 10-Minuten-Vortrag nicht mal als Einleitung dem Thema gerecht wird. Es scheint so wahnsinnig viele Facetten zu geben die ich mir als Außenstehender gar nicht ausmalen kann.
Ich habe großen Respekt vor jedem Einzelnen von euch...davor dass ihr euren Weg gefunden habt oder ihn noch findet. Ich habe das Gefühl, dass ihr euch eures Körpers und eurer Persönlichkeit besser bewusst seid, als viele viele "Normalsterbliche".

Ich habe durch eure Beiträge wirklich das Gefühl mehr über den Menschen an sich zu lernen.

Also auch ein großes Dankeschön an dich, Mihi!

LG Anni

PS: ich hab auch schon überlegt den Beitrag wo anders nochmals zu starten, aber ich wusste nicht, ob das gewünscht ist, weil es ja extra diese Medienrubrik gibt.

Offline AnniBu

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Müsste dann auch jede andere Veränderung am Namen (wie Spitznamen oder Abkürzungen) nach deren Vorstellung illegal sein?! :kratz: *ironie aus* ;)

Danke ich schaue mich morgen mal in Ruhe um! :)

LG Anni

Offline mihi

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Heute habe ich bei der Arbeit erfahren, dass es die Pflegedienstleitung meint, es wäre illegal, am Arbeitsplatz als Mann aufzutreten, und mit entsprechendem Vornamen angesprochen zu werden, bevor ein gerichtlicher Beschluss vorliegt.  :doh:

Dann gibt es hier mal den passenden Link dazu:
http://www.main-ts.de/downloads/Neues_zur_Rechtslage_von_Transsexuellen.pdf

Frau Augstein ist immerhin Rechtsanwältin am Bundesverfassungsgericht. Ich zitiere mal den hier relevanten Abschnitt:
Zitat
Zur Rechtsstellung Transsexueller nach dem Coming-Out bis zur
offiziellen Vornamensänderung
...
Das Auftreten in der neuen Rolle und Identität ist natürlich
zulässig!
1.
Hierbei darf frau/mann auch den neuen Namen verwenden, nicht
nur mündlich, sondern auch im Schriftwechsel (privat und mit
Behörden!). Auch die Unterschriftsleistung ist rechtsgültig und
keine Urkundenfälschung. Eine solche liegt nach der
Rechtsprechung nur vor, wenn der „falsche“ Name als Mittel
eingesetzt wird, den Vertragspartner um seine Gegenleistung zu
bringen.
Es können daher unter dem neuen Namen Verträge abgeschlossen
werden (z. B. Kauf-, Miet- und Versicherungsverträge).
2.
Auch andere Personen und Institutionen (Arbeitgeber, Behörden)
dürfen den neuen Namen verwenden. Ich habe z. B.
entsprechende Schreiben und Bescheide des Arbeitsamtes, der
Krankenkassen und der Rentenversicherung gesehen, die schon
vor der gerichtlichen Namensänderung den neuen Vornamen
gebrauchten.
Die Rentenversicherung darf (auch schon vor der gerichtlichen
Entscheidung) eine neue Seriennummer erteilen. Der Arbeitgeber
und staatliche Institutionen dürfen neue Zeugnisse ausstellen. Es
gibt zwar den Straftatbestand der Falschbeurkundung im Amt, der
es verbietet, daß eine Behörde etwas inhaltlich falsches
beurkundet. Dieser Straftatbestand ist aber nur anwendbar, wenn
etwas rechtlich Erhebliches falsch beurkundet wird. Der
Vorname und das Geschlecht sind in einem Zeugnis aber nichts
rechtlich Erhebliches. Erheblich sind die dokumentierten
Leistungen und die Identität zwischen Zeugnisinhaber/in und
Erbringer/in der dokumentierten Leistungen.
Für diesen ganzen Bereich gilt, daß andere Personen und
Institutionen den neuen Namen verwenden dürfen, dies aber nicht
müssen. Es gibt insoweit keinen vor Gericht durchsetzbaren
Rechtsanspruch. Zwei Dinge sind auch bei gutem Willen rechtlich
nicht zulässig: neue Ausweispapiere und ein Bankkonto auf den
neuen Namen (letzteres aufgrund einer ausdrücklichen
gesetzlichen Bestimmung im Steuerrecht).
3.
Im Arbeitsrecht besteht auch schon vor der Vornamensänderung
ein Rechtsanspruch, die Tätigkeit in der Kleidung des neuen
Geschlechtes zu verrichten. Dies ist kein Kündigungsgrund. Das
Landesarbeitsgericht Berlin hat die Berliner Verkehrsbetriebe
(BVG) in einem Grundsatzurteil dazu verurteilt, dem „Kläger“
(einer Mann-zu-Frau-Transsexuellen) weibliche Dienstkleidung als
Busfahrerin zur Verfügung zu stellen.
Es besteht natürlich immer die Gefahr nicht angreifbarer
Kündigungen. Frau/Mann sollte natürlich im Guten versuchen, mit
dem Arbeitgeber zu einer Einigung bzw., des Rollenwechsels im
Betrieb zu kommen. Wenn das aber nicht möglich ist, rate ich
unbedingt zu einem Prozeß, zu einer Klage gegen die Kündigung,
wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist (der Betrieb muß
mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigen, und das Arbeitsverhältnis
muß länger als 6 Monate bestand haben). Die gilt auch, wenn ein
anderer Kündigungsgrund als die Transsexualität usw. angegeben
wird. Der Arbeitgeber muß den Kündigungsgrund vor Gericht
beweisen!
4.
Die Krankenkassen dürfen Leistungen nicht von der vorherigen
Durchführung des Verfahrens nach § 1 TSG abhängig machen.
Dies ändert freilich nichts daran, daß die Diagnose Transsexualität
und die medizinische Notwendigkeit durch Gutachten belegt sein
müssen. Deshalb ist dieser Weg in der Regel auch im Hinblick auf
die Krankenkasse empfehlenswert.

Mihi